Einfach erklärt und doch kaum verstehbar

Die neuen Handicap-Regeln beim Golf

„Das wird ein spaßiges Jahr“. Diese Erwartung einer erfahrenen Clubsekretärin an die gerade anlaufende Golfsaison 2021 ist nicht so fröhlich gemeint, wie sie klingt. Da sie wohl stellvertretend für alle Kolleginnen und Kollegen an den Empfangstresen deutscher Golfclubs urteilt, sei ihr Name an dieser Stelle einmal unerwähnt. Es schwingt vielmehr eine gehörige Portion Sarkasmus mit angesichts der zu erwartenden Schwierigkeiten, welche die Einführung des neuen „World Handicap System 2021“ mit sich bringen wird.

Doch fangen wir ganz pragmatisch von vorn an: Es hat sieben Jahre gedauert, um die sechs zuvor existenten Regelwerke zu einem gemeinsamen Ganzen zusammen zu bringen. Ein gewichtiges Wort dazu hatten die Schwergewichte unter den globalen Verbänden, der Royal and Ancient Golf Club of St. Andrews (R&A) sowie die United Golf Association of America (USGA), in die Verhandlungen einzubringen. Obwohl doch alle zuvor geltenden Regelwerke dem einen Zweck dienten, nämlich die Spielstärke eines Jeden in einer möglichst fairen Zahl auszudrücken, waren die Unterschiede zum Teil eklatant und kaum nachvollziehbar. Das soll nun anders werden. Der Präsident des Deutschen Golf Verband e.V.(DGV) Claus M. Kobold spricht in einem Vorwort zum neuen Regelwerk sogar von „einer kleinen Revolution“ die stattfindet. Schau`n wir mal.

Neue Begrifflichkeiten lernen

Wie so häufig im Leben, gilt es zum besseren Verständnis des neuen World Handicap Systems ein paar neue Begrifflichkeiten zu lernen:

Das alte Handicap heißt zukünftig Handicap-Index und bildet den Durchschnitt der besten 8 von insgesamt 20 gespielten Golfrunden ab, die zur Berechnung herangezogen werden. Das klingt kompliziert – und ist es wohl auch, wenn man sich die entsprechende Formel dafür vor Augen führt (siehe weiter unten). Aber es ist fairer, denn bisher wurde das neue Handicap bezogen auf die vorhergehende Runde errechnet. Ein rabenschwarzer Tag mit einigen gestrichenen Löchern schlägt zukünftig also nicht mehr so zu Buch. Leider ist an dieser Stelle auch zu bemerken, dass es keine Formel gibt, um das „alte“ Handicap auf den neuen Handicap-Index umzurechnen!

Handicap-relevante Runden sind nur noch die Einzel-Spielformate Zählspiel, Stableford, Gegen Par, Maximum Score und ausnahmsweise auch das Teamformat Aggregat. Gewertet werden auch registrierte Privatrunden, das sind Runden, die früher „Extra Day Score“ hießen. Sie müssen aber vorher angemeldet werden und brauchen auch immer einen Zähler.

( Ergänzung: Beim Teamformat "Aggregat" zählt die Summe aller Schläge eines Teams.Durch diese Variante haben auch Anfänger die Möglichkeit, als Teil eines guten Teams mit dem Sieg vom Platz zu gehen. Jeder Golfer spielt bei dieser Variante seinen eigenen Ball. Die Wertung kann entweder gleich während des Spiels oder am Ende eines Spiels ermittelt werden. Dadurch kann das Aggregat als einziges Vierer-Spiel vorgabewirksam sein und damit auf das Handicap angerechnet werden.)

Der Vollständigkeit halber sei auch noch der Begriff Score Differential erwähnt. Das ist kurz gesagt das Ergebnis einer Handicap-relevanten Runde, die in etwa der Anzahl der Schläge über Par entspricht und mit dem Slop Rating und dem Course Rating abgeglichen wird. Verstanden? Nein? Man könnte auch vereinfacht sagen, je besser die Runde gespielt wird, desto niedriger ist der Score Differential – wer hätte es gedacht? Die entsprechende Formal dazu lassen wir an dieser Stelle aus.

Diese Begriffe finden sich dann auch im Scoring Record wieder. Darin sind also die 20 letzten Ergebnisse des Golfers festgehalten. Der Durchschnitt der acht besten Runden gibt dann den Handicap Index, wie bereits erwähnt.

Zukünftig zählt das gewertete Bruttoergebnis und nicht mehr die Stableford-Punktzahl. Entscheidend dabei ist, dass die Einschränkung gilt „Maximum Score pro Loch = Netto-Doppelbogey“, das heißt nichts anderes als das keine Löcher gestrichen werden, sondern diese Löcher wie mit Doppelbogey gespielt gewertet werden. Wer das unbedingt nachrechnen möchte, möge die folgende Formel verinnerlichen – oder auf dem Smartphone speichern: Maximus Score = Netto-Doppelbogey = Par + 2 + Handicap-Schläge

Was bleibt
Eine Kategorisierung in „Vorteil“ oder „Nachteil“ mag jeder für sich individuell vornehmen. Besser hilft vielleicht die Darstellung, was erhalten bleibt oder verschwindet. Die weiter oben beschriebenen registrierten Privatrunden (RPR) beispielsweise bleiben erhalten und können so oft gespielt werden, wie es der Golfer möchte. Sie sind also nicht abhängig von einer entsprechenden Anzahl von zuvor gespielten Turnieren. Allerdings klingt auf unsere Anfrage dazu bereits eine vorsichtige Einschränkung aus der Geschäftsstelle des DGV an, falls nämlich festgestellt würde, dass Topspieler (Mannschaftsspieler und Teilnehmer an Verbandsturnieren) ihr Handicap-Index „im Wesentlichen“ in solchen RPR spielen, könnte man sich dort bei der Handicapüberprüfung auch eine „Korrektur“ vorstellen.
Erhalten bleibt freundlicherweise auch die Deckelung, welche das Handicap wie bisher bei 26,5 festschreibt. Man kann sich also nach einem schlecht gespielten Turnier nicht mehr hochspielen. Wenn ein Spieler jedoch – beispielsweise krankheitsbedingt – nachhaltig von seiner Spielstärke abweichen, dann kann der Handicap-Ausschuss des Heimatclubs eine Anpassung vornehmen.


Was verschwindet
Auf jeden Fall gibt es zukünftig keine Pufferzonen mehr, in die man sich hineinretten kann, um das aktuelle Handicap zu schonen. Jedes Ergebnis zählt. Ebenfalls verschwinden werden auch die zünftigen Siegerehrungen alter Provenienz, in deren Verlauf die Brutto- und Nettosieger schon an Ort und Stelle auf das neue Handicap – sorry, den Handicap-Index – mit den Flightpartnern anstoßen können. Die Turnierergebnisse werden vom Sekretariat an die Stelle gemeldet, die auch das Handicap verwaltet und das ist der DGV. Dort werden die Ergebnisse erfasst, abgeglichen und können dann am nächsten Werktag (!) abgerufen werden. Bedauerlich für die Freitags- und Wochenend-Turniere.
Was so einfach klingt, birgt jedoch möglicherweise jede Menge Konfliktpotential in sich und vielleicht scheint dort auch der Grund für die eingangs erwähnte Bemerkung von einem „spaßigen Jahr“ liegen.
Diejenigen Zeitgenossen unter den Golfern, die mit dem neu errechneten Handicap-Index nicht einverstanden sind, können ihren Ärger nämlich nicht mehr im Clubsekretariat loswerden. Der Heimatclub kann selbst nicht mehr eingreifen. Ob sich besagter Beschwerdeführer allerdings mit dem Hinweis auf die vom DGV eingerichtete E-Mail-Adresse handicap@dgv.golf.de zufrieden gibt, bleibt abzuwarten.

Wer einen vierstelligen Jahresbeitrag bezahlt hat – und damit nach eigener Auffassung den gesamten Club am Leben hält und so auch die Mitarbeiter entlohnt – dem fehlt mitunter das Verständnis dafür, dass er sich auch einmal selbst um etwas kümmern muss. Das es dort zu Engpässen führen könnte, zeichnet sich derzeit schon ab. Wer bereits heute unter dieser E-Mail-Adresse Fragen stellt, wird – noch – mit dem freundlichen Hinweis vertröstet: „Haben Sie bitte Verständnis dafür, dass wir auf Grund sehr hoher Frequenzen nicht auf jede Email individuell antworten können. Dennoch geht Ihr Anliegen nicht verloren.“ Wie tröstlich.

In diesem Artikel sind natürlich längst nicht alle Details des neuen Regelwerks dargestellt, was angesichts eines Konglomerats aus sechs, in vielen Jahren gewachsene Regelwerke nicht möglich wäre, aber vielleicht hilft es auf dem Weg zu einem gewissen Grundverständnis des neuen „World Handicap Systems“.
Praktische Hilfestellung mit zahlreichen Erklärungen von A wie Anker-Ergebnis bis Z wie Zuständigkeitsbereich vermittelt auch das kleine Regelwerk in gedruckter Form, welches in der Bonner Köllen Druck+Verlag GmbH erschienen ist und vom Deutschen Golf Verband herausgegeben wird (ISBN 978-3-88579-577-3).


Quelle: eigen

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