Baden-Württembergs Subkultur
Von Streetart bis zum Szeneatelier, vom Designlabor bis zur Underground-Bühne: Auch Deutschlands Süden hat eine Kreativszene.
In Heilbronn zum Beispiel wartet ein buntes "Cafe": Der Laden ist winzig, trashig, bunt, kitschig, hat etwas von Studentenkneipe, ist aber auch eine liberale kleine Kunstgalerie. Das „Data 77112“ in der Heilbronner City fällt in jeder Hinsicht aus dem Rahmen. Die Wände sind in knalligen Farben gestrichen. Bilder von David Bowie hängen hier neben Albert Einstein. An der Wand lehnt eine akustische Gitarre, eine Orgel steht direkt vor dem DJ-Pult. Neben dem Plattenteller liegt eine Liste aus, hier kann sich jeder eintragen, der Lust hat aufzulegen. Die Bands, die regelmäßig auftreten, reisen zum Teil von weither an und machen den Laden vom kreativen Wohnzimmer zur angesagten Musiklocation.
https://www.facebook.com/DataBar77112
Mannheim hat sich in den letzten Jahren zum kreativen Schmelztiegel mit trendigen Szenevierteln und innovativen Konzepten entwickelt. Eines davon ist die Open Urban Art Gallery „Stadt.Wand.Kunst“, die Mannheims graue Mauern in ein begehbares Museum umfunktioniert. Seit 2013 verwandeln jeden Sommer internationale Streetart-Künstler den Stadtraum in ein Experimentierfeld für Fassadenkunst. An verschiedenen Standorten werden ganze Hausfassaden dauerhaft in urbane Kunst.
https://www.stadt-wand-kunst.de
Handwerk und Design gehen in Pforzheim schon lange eine enge Verbindung ein: Vor 250 Jahren entstand hier mit der Uhren- und Schmuckherstellung ein Industriezweig, der die „Goldstadt“ bis heute prägt. An diese Tradition knüpft das Kreativzentrum Emma an, das in einem ehemaligen Jugendstilbad eingerichtet wurde. Wo noch bis 2011 Schwimmer ihre Bahnen zogen, arbeiten Kreative in Ateliers und Coworking-Räumen heute an neuen Ideen. Beim regelmäßigen „Creative After Work“ kommen interessierte Besucher mit den Mietern oder mit Studierenden der benachbarten Hochschule ins Gespräch. Ein Höhepunkt sind die Ausstellungen junger Stipendiaten, die als „Designer in Residence“ jeden Sommer nach Pforzheim kommen.
https://www.emma-pf.de
Beim Bummel durch Freiburg trifft man an fast jeder Ecke auf ausgefallene Kneipen und Szenetreffs für das junge Publikum der Universitätsstadt im Schwarzwald. Ein besonders ungewöhnlicher Ort ist das Café Artjamming im Stadtteil Wiehre. Wer hier auf Stuhlklassikern im Midcentury-Design seinen Kaffee schlürft, kann nicht nur Künstler bei der Arbeit beobachten. Jeder darf hier selbst an die Staffelei treten und sich von der kreativen Umgebung inspirieren lassen. Für alle, die sich ohne Anleitung nicht trauen, gibt es regelmäßige Kurse. Und wer sich in den Charme des Atelier-Cafés verliebt, der kann viele der ausgestellten Gegenstände mit nach Hause nehmen: Von ausgefallenen Lampen bis zu Vintage-Möbeln stehen viele Objekte zum Verkauf.
https://www.artjamming.de
An wenigen Orten lässt sich Stuttgarts Wandel von der Industriestadt zum Kreativstandort so deutlich nachempfinden wie im Wizemann-Areal im Stadtteil Bad Cannstatt. Bis in die 90er Jahre wurden hier noch Autoteile gefertigt. Das kulturelle Herz der Anlage schlägt im Musikclub „Im Wizemann“: Verschiedene Hallen bieten Raum vom kleinen Clubkonzert bis zur großen Bühne.
https://www.imwizemann.de
Neben dem Münsterturm sind es bis heute die mächtigen Wehrbauten der Bundesfestung Ulm, die das Stadtbild schon von Weitem prägen. Auch die Obere Donaubastion im Süden der Altstadt gehörte einst zu diesem Festungsring. Wo früher Soldaten wohnten, blüht heute eine lebendige Kulturszene. Ein Museum und verschiedene Theaterprojekte nutzen die Räume der ehemaligen Kaserne. Auf dem früheren Waffenplatz entstand mit dem ROXY bereits in den 80er Jahren eines der größten soziokulturellen Zentren im Süden. Jahr für Jahr begeistern sich rund 80.000 Besucher für die Veranstaltungen in den alten Fabrikhallen an der Donau. Das Spektrum reicht von Konzerten über Ausstellungen bis zu Comedy. Bei Partys und interaktiven Formaten wird auf dem Gelände außerdem regelmäßig gefeiert.
https://www.roxy.ulm.de
Mit renommierten Museen und hochkarätigen Theater- und Opernaufführungen hat sich Karlsruhe einen Ruf als Kulturstadt erworben. Neben den klassischen Kultureinrichtungen mischen seit einigen Jahren junge Kreative die Szene auf. Ihr Treffpunkt ist der „Alte Schlachthof“, wo nur noch Namen wie „Hackerei“ oder „Fettschmelze“ an die frühere Nutzung erinnern. Heute findet man in den alten Backsteinbauten verschiedene Künstlerkollektive und Ateliergemeinschaften, klassische Kunsthandwerker und Architekturbüros sowie diverse Agenturen, Medienfirmen und Startups. Doch es wird nicht nur an neuen Geschäftsideen und Konzepten gearbeitet. Ein breites Angebot an Festivals, Gastronomie und Konzerten macht das Areal im Karlsruher Osten zu einem lebendigen neuen Stadtquartier.
https://www.alterschlachthof-karlsruhe.de
Ursprünglich diente der denkmalgeschützte Bau im Osten der Altstadt als Bahnhofsgebäude der Neckartalbahn. Seit 1995 hat hier das Kulturhaus Karlstorbahnhof seinen Sitz und nutzt die Räume als ungewöhnliche Spielstätte. Das vielfach preisgekrönte soziokulturelle Zentrum beherbergt neben dem Konzertbetrieb eine Theaterbühne, ein Kino und kleinere Bühnen für Veranstaltungen in den Bereichen Literatur, Kabarett und Gesellschaftspolitik. Wer eine der legendären Partys im alten Bahnhof erleben möchte, sollte sich sputen. In den kommenden Jahren wird das Kulturhaus auf eine der Konversionsflächen in der Südstadt umziehen. An die Stelle des Bahnhofs als Spielstätte tritt dann eine ehemalige US-Kaserne, die noch mehr Raum für Kultur und Kreativität bietet.
https://www.karlstorbahnhof.de
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