Mata Hari Ausstellung Leeuwarden
Fishman, Tante Emma Laden Leeuwarden
Fishman, Harlingen Hafen
Europäische Kulturhauptstadt 2018: Leeuwarden
In den Grachten schimmert das gelbliche Licht der schmiedeeisernen Straßenlaternen. Auf dem Straßenpflaster glitzern die hellen Buchstaben friesischer Gedichte. Zusammen bilden sie eine Route der Poesie durch die Leeuwarder Altstadt.
Mit einem Elektroboot gleitet eine Gruppe Touristen durch die Kanäle der Innenstadt vorbei an rötlich-braunen Backsteinfassaden mit bodentiefen gardinenlosen Fenstern. Junge Leute radeln auf schweren Hollandrädern gemächlich über die von unten blau beleuchteten Brücken. Viele haben ihre Lenker mit Blumen dekoriert. Auf den zahlreichen Bänken an der breiten, weitgehend autofreien Nieuwestad zu beiden Seiten der Hauptgracht sitzen Menschen entspannt in der Abendsonne. In den Kneipen und Straßencafés genießen die Leeuwarder den Feierabend. Europas Kulturhauptstadt 2018 lässt es ruhig angehen, anders wie die zweite, Valletta auf Malta (siehe http://https://www.reisenundgolfen.de/index.php?set=details&id=1708&cat=reisen).
Eine „kleine Großstadt“ nennt Mario Kristmann seine Wahlheimat. Der 28jährige Deutsche fühlt sich in Frieslands Hauptstadt „wie auf dem Dorf“. Leeuwarden, mit gut 100.000 Einwohnern größter Ort der Region, ist für Mario „groß genug, um anderen auch aus dem Weg gehen zu können und so überschaubar, dass man Netzwerke aufbauen und pflegen kann.“ Der kräftige junge Mann kam wie viele zum Studieren und blieb. Er liebt den weiten Himmel über der flachen friesischen Landschaft, das Spiel der leuchtenden Farben in Wind und Sonne – und die inspirierende Atmosphäre der Stadt. Viele der etwa 16.000 Studierenden seien als Künstler, Filmemacher oder Mediengestalter „kreativ unterwegs“. Leeuwardens drei Universitäten bieten neben Technik und Naturwissenschaften diverse Kunst- und Medien-Studiengänge an.
Jamila Faber hat an der Akademie für Popkultur eine Mischung aus Musik, Kunst und Marketing studiert. Jetzt ist die 27jährige Stadskunstenaar, Stadtkünstlerin. Für mindestens vier Projekte im Jahr bekommt sie aus dem Rathaus ein festes Honorar. „Die vertrauen mir“, freut sich die Künstlerin mit den wachen dunklen Augen. Jamila ist ständig in Bewegung. Voller Energie schwärmt sie zum Beispiel von ihrer Aktion zum Valentinstag: Mit Kreide schrieb sie mit einigen Mitstreitern Gedichte über Liebeskummer auf die Straßen der Altstadt. Die Kreide sei wie die Liebe: „Heute strahlt sie. Und der nächste Regen wäscht sie weg.“
Um Hausbesetzungen zu verhindern bieten viele niederländische Gemeinden Anti-Kraak-Wohnen an. Man mietet ein freies Haus oder einzelne Räume für wenig Geld und verpflichtet sich, jederzeit auszuziehen, wenn sich ein neuer Dauernutzer findet, das Objekt abgerissen oder umgebaut wird. So kamen die Musikfans an einen nicht genutzten Teil der ehemaligen Haftanstalt, bauten Theke, Bühne und eine Musikanlage ein. Hinter einer schweren Eisentür mit vergitterter Luke feiern nun jedes Wochenende junge Leute im einstigen Knast ohne jemanden zu stören. Durch die dicken Backsteinmauern des 150 Jahre alten Baus in bester Innenstadtlage dringt kaum ein Ton nach draußen.
Der Flame Lieven Bertels, bis Mitte Juni Direktor der Europäischen Kulturhauptstadt 2018, hat sich intensiv mit der Geschichte des Landes beschäftigt. Leeuwarden liege wie viele friesische Gemeinden unter dem Meeresspiegel. „Sie existieren nur, weil die Menschen sich angesichts der Naturgewalten zusammengeschlossen haben.“ Weit ab vom dicht besiedelten Holland legten die Friesen im frühen Mittelalter Hügel an, um sich vor den immer wiederkehrenden Sturmfluten der Nordsee zu retten.
Die Stadt Leeuwarden entstand auf drei solcher Terpen, die über die Jahre zusammenwuchsen, als sich die See allmählich zurückzog. Später baute man gemeinsam Deiche und Kanäle. Auf diesen fuhren bis ins 19. Jahrhundert neben zahlreichen Lastkähnen von Menschen und Tieren gezogene Linienschiffe, die Trekschouten, bis nach Amsterdam und in den Süden der Niederlande. So hatte Friesland lange vor dem Bau der Eisenbahn ein öffentliches Verkehrsnetz.
Die Region erscheint Lieven Bartels mit ihren Grachten, den in die weite flache Landschaft gestreuten Bauernhöfen und stillen Dörfern „wie ein zerbrochener, angelaufener Spiegel der alten niederländischen Kultur“. Viele Traditionen, die die Moderne anderswo unter sich begraben hat, leben hier weiter. Noch heute träfen sich vielerorts die Bauern auf einem neutralen Grundstück zur Aussprache, um Konflikte friedlich beizulegen. Der Stabsprung über Kanäle, einst alltägliches Fortbewegungsmittel, ist als Sportart erhalten geblieben, ebenso die Skûtsjes, lange flache Segel-Lastkähne, die die Friesen speziell für das seichte Wattenmeer entwickelt haben. Friesische Seeleute segelten damals bis nach Indien. Mittelalterliche Fundstücke im Museum belegen regen Handel mit Skandinavien, Südeuropa, dem nahen und mittleren Osten. Sneek, Harlingen und andere Hafenstädte der Region waren lange vor Amsterdam reiche Metropolen.
Die Kulturhauptstadt versteht sich als Begleiter für Ideengeber. Viele kommen wie einst die Bewerbung aus der Mitte der Bevölkerung. Bertels und seine Leute „helfen bei Organisation, Marketing, Vernetzung und Budgetierung.“ Rund 800 lokale Initiativen machen inzwischen mit. Die Idee hinter alledem: Scheinbar Unmögliches in einer starken Gemeinschaft verwirklichen, indem man Neues zusammen ausprobiert.
Europäische Kulturhauptstadt 2018: Neben vielen regionalen Projekten präsentiert eine große Ausstellung Werk und Leben des Leeuwarder Grafikers und Künstlers MC Escher. Mit der als Kurtisane bekannt gewordenen und im Ersten Weltkrieg als (angebliche) Spionin hingerichteten Mata Hari befasst sich ab Oktober 2017 eine weitere Ausstellung im Friesischen Museum ( siehe http://https://www.reisenundgolfen.de/index.php?set=details&id=1608&cat=aktuelles)
Weil ihn seine Architekten im 16. Jahrhundert teilweise auf Sand gebaut haben, steht der Oldehove heute noch schiefer als der berühmte Turm in Pisa. Baumeister Jakob van Aaken ist nach diesem Debakel und anderen Fehlschlägen in Depressionen verfallen und hat sich vermutlich das Leben genommen. Heute bietet der Turm in rund 40 Metern Höhe freie Aussicht über die Stadt.
Diese und viele, viele weitere Informationen hat unser Autor Robert B. Fishman auf seinem Blog https://www.soscheescho.de zusammengetragen. Der Blog beschäftigt sich vor allem mit Städtetourismus und bietet jeweils eine Vielzahl von Tipps, nicht nur für Sehenswürdigkeiten, sondern auch für Kulinarik, Übernachtung und interessante Ausflugsziele in der Umgebung.
Quelle: Soscheescho
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