Wo der Herbst den Sommer überschattet

Im Veneto beginnt nicht nur die Prosecco-Genußzeit

Oben in den Bergen des Veneto rund um Cortina d’Ampezzo mögen sich die Menschen schon auf den nahenden Winter vorbereiten, der 2026 mit den Olympischen Winterspielen gekrönt wird. Der erste Schnee, daß weiße Gold der örtlichen Tourismusindustrie, welches vor allem Italiener mit einem mondänen Lebensgefühl genießen, verabschiedet sich sicherlich noch einmal – aber der Winter kündigt sich unzweifelhaft an.

In den südlicheren Regionen verschwenden die Bewohner noch keinen Gedanken an kältere Tage. Schließlich beginnt gerade jetzt ihre Zeit, die von zwei ganz unterschiedlichen Lebensweisen geprägt wird: harte Arbeit und purer Genuss. Und es ist genau diese ungewöhnliche Mischung, die garantiert, dass der Herbst die mit Abstand schönste Zeit für eine Erkundung der italienischen Region ist.

Der touristische Ruf des Veneto, im Deutschen als Venetien bekannt, beruht vor allem auf seinen klassischen Höhepunkten: natürlich Venedig, immer schlagzeilenträchtig; der Gardasee, für viele fast schon einer der schönsten Teile Bayerns; die Dolomiten, der Beweis, dass die Alpen kaum spektakulärer in den Himmel ragen können; die Euganeischen Hügel, wo Gesundheit und Genuss sich köstlich vereinen und nicht zu vergessen: 150 Kilometer Adriaküste. Ach, man könnte weiter ins Schwärmen kommen – Padua, Verona, Vicenza, Monte Grappa, Po – alles im Veneto. . .

7800 Winzer auf den Prosecco-Hügeln
Auf den ersten Blick mögen die „Prosecco-Hügel von Conegliano und Valdobbiadene“ dagegen ein eher beschauliches Schattendasein fristen. Doch genau in dieser Vermutung liegt der größte Irrtum über den Veneto. Seit die UNSECO 2019 das Prädikat „Weltkulturerbe“ an die in Jahrhunderten kultivierte Hügellandschaft mit ihren fast unzählbaren Weinterrassen vergab, steigen die Besucherzahlen in ungeahnte Höhen (und trotzdem stellt sich für den Besucher auch nach einigen Tagen noch das Gefühl ein, einer der wenigen Auserwählten zu sein, der in dieser Hügellandschaft mit seinen alten Borghi verweilen darf).

„Unsere Besucherzahlen legen aktuell jährlich um 40 Prozent zu“, erzählt Giuliano Vantaggi, in seiner Berufsbeschreibung eine Mischung aus UNESCO-Beauftragter für das gekrönte Gebiet und zugleich ein genussvoller, italienischer Insider. In der „Locanda Da Lino“ von Pieve di Soligo, wo Dutzende Polenta-Kupferkessel unter der Decke fürs regionale Ambiente sorgen, kommt er gar nicht mehr aus dem Schwärmen heraus.

7800 Winzer, so zumindest sagen es die (nicht unbedingt objektiven) Einheimischen, bewirtschaften die Hügel, in dessen Mittelpunkt die steilen Hänge von Cartizze liegen, die zu dieser Jahreszeit mit kleinen Seilbahnen bestückt werden, damit die per reine Handlese gesammelte Ernte behutsam ins Tal befördert werden kann. Jetzt, da gibt es keine Zweifel, ist die beste Zeit für eine stille Wanderung über die Prosecco-Hügel. Erntezeit ist Reisezeit, möchte der Betrachter ausrufen – greift aber in der „Osteria Senze’Oste“, der „Wirtschaft ohne Wirt“, lieber zur (sehr guten) Flasche. . . Ein Prost auf Dolce Vita! Und ein unvergesslicher Blick in das grüne Herz des Venetos, das sich im Herbst in seiner ganzen Schönheit am besten auf dem 51 Kilometer langen Prosecco Trail in vier leichten Tages-Etappen entdecken lässt.

Eine Million Prosecco-Flaschen im Keller
Die Hänge mögen die köstliche Grundlage für den weltweit gefeierten Prosecco liefern, doch erst in der Villa Sandi, Home Base der gleichnamigen Kellerei, avanciert der „Schaumwein“ zu einer globalen Marke. Mit ungespielter, italienischer Leichtigkeit begrüßt der Hausherr den Besucher. Man nimmt Giancarlo Moretti Polegato gern ab, dass er seine Prosecco-Obzession täglich neu erlebt. „Je kleiner die Blasen im Glas, desto besser die Qualität“, lässt der Familienunternehmer lässig und ganz nebenbei wissen. Und sammelt so ganz nonchalant weitere Expertenpunkte.

Doch ob große oder kleine Blasen – Villa Sandi bespielt perfekt alle Preisklassen der Prosecco-Vermarktung. Kein problematisches Unterfangen, sagt sich der Besucher, wenn über 1 Million (!) Flaschen in den Katakomben unter der ehrwürdigen Familien-Villa aus dem 17. Jahrhundert lagern. In Deutschland lässt sich die Flasche Sandi im Supermarkt um die Ecke schon für unter 4 Euro mitnehmen, Genießer in Japan zahlen für die beste Lage gern und häufig einige Hundert Euro.

Bei der Prosecco Verkostung bemerkt Giancarlo ganz nebenbei, daß sein Bruder Mario 1992 die Schuhmarke GEOX gründete und schwenkt dabei vornehmlich eigene Lagen, wie „Villa Sandi La Rivetta Cartizze Prosecco Superiore DOCG“ (allein der Name ist eigentlich Gedicht genug) im Glas. Am Abend zeigt sich dann Antonio im Restaurant Tino als weltoffener Kenner, der seit 41 (!) Jahren den Titel Prosecco-Sommelier wohl zurecht trägt. „Je länger ein guter Prosecco im Glas ist, desto häufiger verändert er seinen Geschmack. Der billige schmeckt dagegen immer gleich“, bringt er seine Erfahrung auf den Punkt. Wenig später servieren seine Kollegen lokale Köstlichkeiten, die dem „Tino“ und seiner „Mutter“, dem „Hotel Villa Soligo“ einen hervorragenden Ruf weit über den Veneto eingebracht haben.
Stille Bescheidenheit und genussvoller Alltag – beides passt irgendwie perfekt zu diesem unterschätzten, aber einmaligen Veneto. Herbst hin oder her.

Alles von A-Z zum Veneto unter https://www.veneto.eu
Das herbstliche Wandererlebnis – 51km Prosecco-Trail
https://collineconeglianovaldobbiadene.it/cammino-delle-colline-del-prosecco/

Mehr zu den Prosecco-Hügeln unter https://collineconeglianovaldobbiadene.it
Vieles zu Valdobbiadene gibts bei https://www.valdobbiadene.com/
Lokale Infos rund um die Hügel mit Schwerpunkt Conegliano findet sich unter https://www.comune.conegliano.tv.it/vivere/turismo
Die Einkehr ohne Reue (und ohne Wirt) in den Hügeln: https://www.osteriasenzoste.it
Köstlicher Genuss im Restaurant Tino: https://www.hotelvillasoligo.it/ristorante

Die Kellerei mit Weltruf: Villa Sandi ist im Netz unter https://www.villasandi.it

Lokale Köstlichkeiten in der Locanda Da Lino: https://www.locandadalino.it/

Herrschaftlich Übernachten kann man im Castel Brando https://www.castelbrando.it/de

Quelle: eigen

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