Was tun, wenn der Veranstalter die Reise kippt
Millionen Deutsche sind gern früh dran, wenn es um ihre Urlaubsbuchung geht. Zum einen locken ansehnliche Rabatte. Zum anderen ist die Auswahl an Flugzeiten, Hotels oder Kreuzfahrten noch groß. In diesem Jahr haben Frühbucher allerdings viel Ärger am Hals. Weil die Nachfrage nach Reisen in die Türkei, nach Tunesien oder Ägypten massiv eingebrochen ist, ziehen Veranstalter jetzt die Notbremse. Ferienflieger wie Condor oder Tuifly streichen serienweise Maschinen, um sie für begehrte Strecken Richtung Spanien oder Portugal abzuziehen. Anbieter wie Aida sagen gar komplette Kreuzfahrten im östlichen Mittelmeer ab. Betroffene Kunden werden ungefragt umdirigiert – und sollen häufig massive Verkürzungen ihrer Ferien, die Abfahrt von anderen Flughäfen oder neue Reiserouten in Kauf nehmen. „Urlauber müssen sich nicht alles gefallen lassen“, sagt Kay Rodegra, Rechtsanwalt und Dozent für Reiserecht aus Würzburg.
Die Terrorfolgen in der Türkei und Nordafrika sind deutlich zu spüren. Spätestens nach dem neuerlichen Terroranschlag in Istanbul mit toten deutschen Urlaubern sind die Sommerbuchungen für die Türkei um 40 Prozent eingebrochen, wie Mario Köpers, Sprecher des Reiseriesen TUI berichtet. 2015 machten etwa 5,5 Millionen Deutsche am Bosporus und an der türkischen Riviera Ferien. Noch stärkere Rückgänge meldet die Branche für Tunesien und Ägypten. Viele deutsche Frühbucher meiden diese Länder. Dafür gehen Urlaubsziele in Spanien, Portugal, Italien oder Deutschland weg wie warme Semmeln. „Dass jetzt von den Veranstaltern reagiert wird und Kapazitäten umdirigiert werden, ist ganz normales Geschäft“, versichert Sibylle Zeuch, Sprecherin des Deutschen Reiseverbandes.
Zieht ein Kreuzfahrtanbieter wie beispielsweise Aida ein komplettes Schiff aus dem östlichen Mittelmeer ab und setzt es stattdessen im westlichen Mittelmeer ab Mallorca ein, sei das ein klarer Reisemangel, betont Reiserechtsexperte Rodegra. Den Verweis auf die Sicherheitslage müssen enttäuschte Kunden nicht als Begründung akzeptieren, wenn in Wahrheit die Buchungen zurückgingen und wirtschaftliche Gründe dahinterstecken. „Das Auswärtige Amt rät Türkeiurlaubern zwar zu erhöhter Wachsamkeit, eine Reisewarnung besteht aber nicht“, betont Rodegra. Für die Frühbucher bedeutet das: Sie müssen dem Umrouten nicht zustimmen, auch dann nicht, wenn es ihnen mit einem 100 Euro-Gutschein fürs Bordguthaben oder ähnlichem schmackhaft gemacht wird. Die Betroffenen können vielmehr die gesamte Kreuzfahrt kündigen, darauf verweisen, dass ihnen die gebuchte Leistung wegen einseitiger Vertragsänderungen nicht mehr zur Verfügung steht und noch Schadenersatz wegen entgangener Urlaubsfreude einfordern, sagt der Würzburger Anwalt. Eine Entschädigung in Höhe von 50 Prozent des Reisepreises ist durchaus möglich.
Für viele Frühbucher ist das besonders ärgerlich. Ein Beispiel: Der Ferienflieger Condor legte alle bisherigen Buchungen von Frankfurt ins türkische Antalya wegen schlechter Auslastung auf eine einzige Maschine mit Ankunft am späten Abend zusammen. Auch auf dem Rückflug steht plötzlich nur noch eine Maschine zur Verfügung, und das am späten Vormittag. Wer sich also zu Jahresbeginn für die Reise entschieden hatte, weil er da noch optimale Abflugzeiten am frühen Morgen und einen Rückflug am späten Abend zur Auswahl hatte, verliert jetzt zwei volle Urlaubstage. Auch das sollten Betroffene nicht einfach hinnehmen, empfiehlt Rodegra. Pauschaltouristen müssten Flugzeitenänderungen von ein, zwei Stunden zwar generell in Kauf nehmen. Eine Verlegung von früh morgens auf abends und umgekehrt sei jedoch unzumutbar und stelle einen Reisemangel dar, ist Rodegra überzeugt. Reiseveranstalter können sich auch nicht auf eine Klausel im Kleingedruckten berufen, wenn sie zugesagte Flugzeiten massiv ändern.
Wer die Information über gravierend veränderte Abflugzeiten, über veränderte Abflughäfen oder -daten als schlichte e-mail ohne jede Zusatzerklärung bekommt wie es derzeit beispielsweise beim Anbieter L‘Tur der Fall ist, sollte den Link auf keinen Fall anklicken. Wer das tut, zeigt nicht nur an, dass er die Vertragsänderung zur Kenntnis genommen hat, wie suggeriert wird. Er signalisiert zugleich sein Einverständnis mit den verschlechterten Flugbedingungen – so wird es zumindest der Veranstalter auslegen. Chancen auf Preisminderung sind damit verwirkt, betont Beate Wagner, Juristin und Reiseexpertin der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Auch wer völlig widerspruchslos die Reise antritt, dokumentiert dadurch seine Zustimmung zu den Veränderungen. Spätere Reklamationen sind dann sinnlos.
Rodegra rät dazu, dem Veranstalter sofort zu schreiben und den veränderten Flugbedingungen zu widersprechen. Pauschaltouristen, die durch zusammengelegte Flüge wertvolle Urlaubszeit verlieren oder unfreiwillig von anderen Flughäfen abfliegen sollen, sollten deutlich machen, dass sie die Reise nur unter Vorbehalt antreten und eine Preisminderung geltend machen. Wer beispielsweise sieben Tage verreist und wegen massiv veränderter Flugzeiten einen ganzen Tag einbüßt, kann eine Entschädigung von einem Siebtel des Reisepreises einfordern. Klare finanzielle Forderungen sind wichtig. Erkennt der Veranstalter die Reklamation an, bietet er gern einen Gutschein als Trostpflaster. Das Gesetz sieht allerdings einen Geldanspruch vor. „Das ist alles Verhandlungssache, wer 100 Euro in bar bekäme, sollte nur einen Gutschein mit einem höheren Wert akzeptieren, er ist ja damit fürs nächste Mal wieder an den Veranstalter gebunden“, betont Rodegra. Wer auf keine Minute seiner Urlaubszeit verzichten will, kann den Veranstalter nach Alternativflughäfen mit vergleichbaren Abflugzeiten wie gebucht fragen, rät Köpers. Für Pauschaltouristen ist der „Zug zum Flug“ meist schon im Preis inkludiert.
Quelle: eigen
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