Entschädigung bei Flugverspätungen

Langer Atem oder Hilfe von Profis nötig
Wer in der Urlaubszeit mit dem Flugzeug verreist, braucht viel Geduld. Läuft das Einchecken noch problemlos, heißt es dann oft: Stundenlang am Gate warten. Manchmal wird der Flieger plötzlich sogar komplett gestrichen. In jedem Fall ist der Ärger groß, die Kommunikation der Airline eher spärlich. Betroffene Passagiere haben bei massiven Verspätungen laut EU-Fluggastrechten Anspruch auf Verpflegung, Betreuung und meist auch auf finanzielle Entschädigung bis zu 600 Euro, sagt Kay Rodegra, Rechtsanwalt und Dozent für Reiserecht aus Würzburg.
Wer es auf eigene Faust versucht, braucht einen langen Atem. Neben Anwälten oder Verbraucherzentralen hat sich ein neues Geschäftsmodell etabliert: Kommerzielle Online-Portale helfen neuerdings beim Eintreiben von Ausgleichsforderungen. So mancher Vertreter der spezialisierten Inkassofirmen steht schon am Airport parat, um gestrandeten Passagieren Unterstützung anzubieten. Doch die Hilfe ist nicht umsonst.

Die Airlines sind verpflichtet, ihren Passagieren während der Wartezeit kostenlose Mahlzeiten und Erfrischungen anzubieten – und tun es in der Regel auch. Das gilt bereits bei Flugstrecken bis zu 1.500 Kilometern und Verspätungen ab zwei Stunden. Bei einem Flug in der EU über 1.500 Kilometer oder über die EU-Grenze hinaus mit 1.500 bis 3.500 Kilometern Entfernung startet die Betreuungspflicht ab drei Stunden Verzögerung. Bei weiteren Flugstrecken muss sich die Airline dann kümmern, wenn sich der Abflug um vier oder mehr Stunden verspätet. Meist gibt die Fluggesellschaft Gutscheine für Getränke und/oder Essen aus. Klappt das nicht, können sich betroffene Passagiere selbst etwas kaufen und die Rechnung später bei der Airline einreichen – mitsamt der Forderung nach Entschädigung. Außerdem stehen den Passagieren zwei Telefonate oder der Versand von zwei Faxen oder E-Mails zu. Ist der Abflug erst am nächsten Tag, bekommen sie obendrein eine Nacht im Hotel inklusive Hin- und Rücktransport gezahlt.

Ab drei Stunden Flugverspätung steht Betroffenen Geld zu, und zwar zwischen 250 und 600 Euro. Ganz gleich, wie teuer der Flug war. So legt der Europäische Gerichtshof die Fluggastrechte-Verordnung (VO) aus. Voraussetzung: Die Passagiere sind in einem EU- Land gestartet. Oder sie fliegen von einem Drittstaat in die EU und die Airline hat ihren Sitz in der EU. Wie viel Ausgleich möglich ist, richtet sich nach der Flugstrecke. Bis 1.500 Kilometer Entfernung sind 250 Euro vorgesehen, bis 3.500 Kilometer 400 Euro. Bei Routen über 3.500 Kilometer sind 600 Euro drin. Wird ein Flug überbucht oder kurzfristig gestrichen, haben Betroffene ebenfalls Anspruch auf diesen Entschädigungsrahmen. Wird ein schneller Ersatzflug organisiert, kann die Zahlung um die Hälfte gekürzt werden. Aber: Kann sich die Airline nachweislich auf außergewöhnliche Umstände berufen- wie beispielsweise der Putsch-Versuch in der Türkei mit Flugannullierungen auf dem Istanbuler Flughafen, ist der Anspruch auf Ausgleich hinfällig.

Wichtig ist immer, sich die Verspätung oder Annullierung noch am Flughafen schriftlich von der Fluggesellschaft bestätigen zu lassen. Wer es sich zutraut, kann seine Forderung an die Airline dann in Eigenregie mit einem Einschreibebrief formulieren, erläutert Beate Saupe von der Verbraucherzentrale Sachsen. Ein Anwalt ist zunächst einmal nicht nötig. „Da genügt oft ein Dreizeiler, in dem man seine Geldforderung mit Bezug auf die Fluggastrechte-Verordnung klar benennt, gut begründet und eine Frist von zwei bis drei Wochen zur Zahlung setzt“, sagt Reiserechtsexperte Rodegra. Die genaue Distanz der Flugstrecke lässt sich online auf https://www.luftlinie.org berechnen. Detailinformationen sowie Musterschreiben bietet unter anderem die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen unter https://www.vznrw.de oder auch das Online-Verbraucherportal https://www.finanztip.de. Geld, das Betroffenen nach einem Flugausfall zusteht, lässt sich noch bis zu drei Jahre später einfordern.

Wer sich auf eigene Faust an die Airline wendet, muss eine gehörige Portion Hartnäckigkeit mitbringen. „Da gibt es durchaus die Tendenz, dass Ansprüche abgeblockt werden“, berichtet Beate Wagner, Juristin der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Fluggesellschaften winden sich gern aus ihrer Zahlungspflicht heraus, indem sie „außergewöhnliche Umstände“ anführen. In solchen Fällen müssen sie keinen Cent leisten. Oft steht das bereits in der Verspätungs-Bestätigung drin, um Passagieren von vornherein den Wind aus den Segeln zu nehmen. Zu „außergewöhnlichen Umständen“ zählen zum Beispiel schlechtes Wetter oder Terrordrohungen. Technische oder personelle Probleme liegen dagegen zumeist in der Verantwortung der Airline. Von Ausreden sollten sich Passagiere bei berechtigten Ansprüchen nicht abschrecken lassen, rät Rodegra.

Weist die Fluggesellschaft die Entschädigungsforderung zurück, sollten Passagiere nicht gleich aufgeben, sagt Saupe. Bei Verbrauchzentralen gibt es Rechtsrat gegen Gebühr. In der Regel lohnt auch der Gang zum Anwalt. Weigert sich die Airline, berechtigte Forderungen zu zahlen, tritt eine Verzugslage ein – und sie muss die Anwaltskosten übernehmen. Landet der Fall vor Gericht und der Passagier gewinnt, muss sie dessen Honorar ohnehin zahlen. Bietet die Fluggesellschaft etwa die Hälfte der Summe als Vergleich oder gar einen Gutschein als Trostpflaster an, sollten Kunden besser nicht einschlagen, rät Rodegra: „Nicht abspeisen lassen, Gutscheine müssen ohnehin nicht akzeptiert werden.“ Abgewiesenen Urlaubern bleibt zudem die Möglichkeit, sich kostenfrei an die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) zu wenden unter https://www.soep-online.de.

Wer von vornherein keine Energie hat mit der Fluggesellschaft zu streiten, kann sich seit neustem auch Hilfe von Fluggasthelfer-Portalen holen wie EUClaim, Fairplane, flug-verspaetet.de, refund.me oder Flightright. Die spezialisierten Inkassofirmen prüfen jeden Fall, bevor sie ihn übernehmen und die Entschädigung für die Kundschaft eintreiben. Aber die Unterstützung hat ihren Preis. Sind die Fluggasthelfer erfolgreich, verlangen sie für ihre Dienste eine Provision zwischen 25 und 30 Prozent der Ausgleichszahlung. Außerdem kann es bisweilen einige Monate dauern, bis das Geld auf dem Konto ist. Wer innerhalb von 24 oder 48 Stunden an eine Entschädigung kommen möchte, kann seine berechtigte Entschädigungsforderung von Anbieter wie etwa EUFlight sofort abkaufen lassen. Da die Firmen in Vorleistung gehen, behalten sie noch mehr Honorar ein, häufig über 40 Prozent. „Wer bereit ist, eine Provisionen zu zahlen, kann mithilfe solcher Portale wenigstens zu einem Teil seines Geldanspruchs kommen“, berichtet Saupe. Selbst reklamieren sei billiger, aber kräftezehrender.

Quelle: eigen

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