Versicherungen per App


Teurer Schutz to go

Bundesbürger lieben Apps: Allein im vergangenen Jahr haben sie gigantische 1,7 Milliarden dieser Service-Angebote auf ihre Smartphones geladen, wie der Branchenverband Bitkom berichtet. Und der Markt boomt weiter. Nicht allein die Gratis-Applikationen kommen bestens an. Auch kostenpflichtige Offerten sind gefragt. In die die Anleitung zum Gesichtsmuskel-Training gegen Hängebacken werden da auch schon mal fünf Euro investiert.

Seit kurzem haben nun Versicherer die Apps als neuen Vertriebsweg entdeckt. Und die jüngere Kundschaft im Visier. Pünktlich zur Hauptreisezeit locken sie etwa mit einer Last-Minute-Auslandskrankenversicherung ab 90 Cent pro Tag. Oder mit Unfallpolicen zum Spottpreis von 99 Cent für zwei Tage. Kein lästiger Papierkram. Der Schutz gilt sofort. Und ist für Kurzentschlossene sogar häufig noch aus dem Ausland via Smartphone buchbar. Bezahlt wird in der Regel über die Handyrechnung. Die Vertragsbestätigung kommt per e-mail. Fertig. Die Laufzeit endet automatisch mit dem letzten Urlaubstag.

Im Winter lässt sich dann auf den letzten Drücker noch eine Skiversicherung für die Ausrüstung und gegen Pistenunfälle runterladen. Ab 2,90 Euro pro Tag. Auch fürs Reisegepäck oder den Reiserücktritt gibt es Schutz-to-go. Tierfreunde können ihre vierbeinigen Lieblinge für kleines Geld „app“-sichern.

Klingt alles bequem. Simpel. Und so günstig. Doch Verbraucherschützer raten von den meisten innovativen Angeboten klar ab. „Wer Versicherungen via App abschließt, zahlt zu viel Geld für zu wenig Schutz“, warnt Susanne Meunier, Expertin von Finanztest. „Das sieht ganz nach dem Versuch der Versicherungsbranche aus, auf diesem Weg die schnelle Mark zu machen.“ Auch wenn Cent-Preise und unkomplizierte Buchung locken: Verträge für ein ganzes Jahr kommen nach den Erfahrungen Meuniers meist deutlich günstiger – und bieten umfangreichere Leistungen, wenn’s drauf ankommt. „Man kann sich viel besser versichern als mit den „Mini-Versionen“ per Handy“, betont auch Bianka Boss, Sprecherin beim Bund der Versicherten (BdV).

Besser als gar nichts
Der kritischen Prüfung der Verbraucherschützer hält am ehesten noch die neue Reise-App der Allianz stand. Sie bietet vielen Smartphone-Besitzern zunächst einen Mix aus kostenlosen Service-Angeboten wie dem verschlüsselten Aufbewahren von Passkopien, weltweiten Notrufnummern, einem Währungsrechner mit tagesaktuellen Kursen und einer Übersetzungsfunktion – alles auch ohne aktive Internetverbindung im Ausland nutzbar, wie der Versicherer verspricht. Ist die App auf dem Handy installiert, meldet sich die kostenpflichtige Option dann spätestens, wenn der Reisende Deutschland verlässt. Dann wird er per Kurznachricht gefragt, ob er denn nicht den Reiseschutz haben möchte. Darin enthalten ist unter anderem eine Auslandskrankenversicherung für 90 Cent pro Reisetag.

Wer zustimmt, kauft auf den letzten Drücker eine Police, die Kosten für „notwendige ärztliche Hilfe“ im Ausland übernimmt sowie für den “medizinisch notwendigen Krankenrücktransport“. Am Leistungsspektrum gebe es erstmal nicht viel zu meckern, urteilen BdV-Experten. Der Vertrag ist für maximal 27 Urlaubstage abschließbar, auch aus dem Ausland. Allerdings nur bis zu 24 Stunden nach Reiseantritt. Bezahlt wird über die Handy-Rechnung. Der Vertrag endet automatisch. Die Reise-App werde mit rund 10.000 Downloads bislang gut angenommen, sagt Andreas Schneider, Pressereferent bei Allianz Global Assistance in München.

Aus Verbraucherschutzsicht gibt es trotzdem noch jede Menge Pferdefüße. „Der tagesgenaue Vertragsabschluss ähnelt dem in Reisebüros beim Buchen. Da habe ich auch keine Alternativen zur Auswahl und merke erst im Ernstfall, welche Bedingungen ich habe“, bemängelt Sascha Straub, Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale Bayern. Komme es zum Streit über eine Kostenübernahme, sei der Reise-App-Kunde vom kostenfreien Schlichtungsverfahren ausgeschlossen. Zusatzhaken: Die Kosten. Wer sich beispielsweise für 14 Tage Urlaub absichert, zahlt für die Allianz-App 12,60 Euro. Im Vergleich zu einer klassischen Dauerpolice fürs ganze Jahr sei das richtig viel Geld, moniert Fachfrau Boss. Denn: Singles kriegen den Schutz bereits für acht bis zwölf Euro jährlich, und zwar für beliebig viele Reisen. Eine ganze Familie ist mit einem Jahresvertrag für circa 15 bis 24 Euro top abgesichert. Wer sich nicht last minute entscheide sondern vorher am Markt informiere, könne sich den Krankenschutz für weniger Geld zu besten Konditionen zulegen, so das Fazit von Meunier.

Keine Police kommt richtig teuer
Trotzdem sind sich alle Experten einig: Besser eine Auslandskrankenabsicherung auf die Schnelle per App als komplett ohne Auffangnetz verreisen. Nach wie vor düst ein Großteil Urlauber in die Ferien ohne jegliche Absicherung für Krankheitskosten dabei zu haben. Dabei gilt sie als absolutes Muss auf Reisen. Wer auf Kreuzfahrt, Städtereise oder im Skiurlaub akut erkrankt und keinen Auslandsreise-Krankenversicherer samt Notfallnetz im Kreuz hat, steht immer vor einem Berg von Problemen – und als Normalverdiener schnell vor dem Ruin. Die Police nimmt einem wenigstens die finanziellen Sorgen ab. Viele Bundesbürger glauben immer noch, sie seien auch im Ausland über ihre Krankenkasse ausreichend abgesichert. Ein Trugschluss, warnt Boss.

Apps mit Löchern
Äußerst skeptisch sehen die Verbraucherschützer App-Offerten zur Unfallversicherung. Zum Beispiel die Police „Unfall-Schutz48“ des Versicherers Ergo. Zwar kann sich der Kunde für 99 Cent mit wenigen Klicks schnell noch einen Unfallschutz zulegen, wenn er auf dem Weg in den Aktivurlaub oder zum Wandern in den Bergen unterwegs ist. Eine Gesundheitsprüfung gibt es nicht. Die Police ist allerdings nur für 48 Stunden gültig. Der Vertrag erlischt nach Ablauf der Zeit automatisch. Wer in der 49. Stunde vom Pferd fällt oder beim Wasserskifahren verunglückt, habe „schlicht Pech gehabt“, warnt Straub davor, sich mit der Police in Sicherheit zu wägen.

Am stärksten bemängelt BdV-Sprecherin Boss, dass Leistungen für bleibende Schäden überhaupt nicht abgedeckt sind. „Dabei ist die Absicherung für Invalidität der wichtigste Baustein einer Unfallversicherung“, betont sie. Die App der Ergo biete lediglich eine Todesfallleistung von 50.000 Euro und Krankenhaustagegeld in Höhe von 50 Euro pro Tag. Zusätzlich sind Bergungskosten bis 5.000 Euro abgedeckt.

„Das Angebot ist definitiv keine gute Option, lieber Finger weg“, rät Fachfrau Boss. „Wenig sinnvoll“, sagt auch Versicherungsexperte Straub. Sobald es um existenzielle Absicherungen wie die Unfallversicherung gehe, sei eingehende Beratung vor Vertragsabschluss unabdingbar. Für etwa 100 Euro pro Jahr lässt sich eine Versicherungssumme bei Invalidität von 200.000 Euro absichern. „Für 99 Cent ist das natürlich nicht zu kriegen“, warnt Boss.

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