As Time goes by

“Harry‘s New York Bar“ in Paris
„Bloody Mary“, „White Lady“, „James Bond“ oder „Tricky Snail”: Hier gibt es sie alle. Kein Wunder, denn „Harry’s Bar”, ist die „oldest cocktail bar in Europe“, eine Institution seit 1911. Dabei war die Gründung eher eine Art Notlösung, denn Tod Sloane, der die „New York Bar“ eröffnete, war der Meinung, es gebe in Paris keinen Ort für richtige Cocktails, also eröffnete er selbst seine Bar. 1923 wurde die Bar dann an Barkeeper Harry verkauft, der seinen Namen dem Lokal anfügte: „Harry‘s New York Bar“.

Amerika pur mitten in Paris
Schon beim Eintreten wird das Gefühl vermittelt, die Zeit sei irgendwie stehengeblieben in der „sank roo doe noo“ (5, rue Danou). Diese Adressangabe steht übrigens noch wie früher genauso in Lautschrift über der Türe und auf der Visitenkarte der Bar, damit jeder Taxifahrer die Bar findet – auch wenn die Adresse „irgendwie“ englisch ausgesprochen wird. Amerika war und ist hier präsent: Ob Unabhängigkeitstag, Präsidentschaftswahl oder wann auch immer: Bei „Harry’s“ sind Amerika und die 20er und 30er Jahre mitten in Paris täglich erlebbar. Das Innere der Bar ist im Dekor der amerikanischen Universitäten – es wirkt damit wie ein Pub an einer der Eliteuniversitäten an der Ostküste der USA. Dazu hängen zig Geldscheine aus aller Herren Länder und Abstrusitäten aller Art an der Wand.

Bloody Mary und eine Hot-Dog-Maschine
Ob „Pina Colada“, „Sidecar“ oder „Mandarin Cosmopolitan“: Um das Wohl der Gäste kümmern sich Gérard, Laurent oder wer auch immer da ist – natürlich in weiß gekleidet – hinter dem Tresen. Sie eint die Liebe zum Detail beim Mixen. Drinks und Ambiente erinnern auf alle Fälle an ihren großen Vorgänger Jimmy Charter, der in den 20er und 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Zubereitung der Drinks zu einer (amerikanischen) Kunstform machte. Zur Erinnerung: „Harry‘s“ wurde durch einen Drink weltbekannt, durch die „Bloody Mary“. Zu den Drinks gibt es auch „Barfood“, übrigens seit 1933 mit einer „Spezialität“, denn damals kaufte Harry auf der Weltausstellung in Chicago eine Hot-Dog-Maschine: Es waren die ersten Hot Dogs in Frankreich.

Gemischtes Publikum
Längst hat sich die Sprache hier gewandelt: Heutzutage kommt die Klientel nicht mehr überwiegend aus den Reihen der intellektuellen Amerikaner in Paris – sondern der „business dress“ bestimmt zur Mittagszeit das Bild, dazu kommen Besucher, die das Flair erleben wollen. Weniger „Expats“, dafür mehr französische Geschäftsfrauen und -männer haben sich im amerikanischen „Heiligtum“ in Paris zwar ausgebreitet, doch eine gewisse Internationalität hält sich beim Stimmengewirr noch immer. Der lange Tresen lädt ein, nicht ein typischer „zinc“ wie sonst in Paris, sondern aus Mahagoni. Glaubt man den Überlieferungen, wurde er extra aus einer Bar aus Manhattan angeliefert.

Viel Prominenz und noch mehr Whisky
Mitten im Raum baumeln dazu zwei Handschuhe von der Decke, so alt, dass es den Anschein hat, Ernest Hemingway habe schon in sie geschwitzt. Vielleicht sind es sogar wirklich die beiden Handschuhe, mit denen „Hem“ einmal Ezra Pound das Boxen beigebracht haben soll. Ansonsten waren alle hier; ob Humphrey Bogart, Clint Eastwood, Coco Chanel, F. Scott Fitzgerald oder die „neueren Promis“, wie die „bartender“ gerne diskret anmerken.

Whisky, Whiskey, wohin das Auge blickt – ob aus Schottland, England, Wales oder die amerikanische Version, der Bourbon. Des Betrachters Auge erblickt gar japanische Versionen. Ob das die Sorte ist, die der Schotte Sean Connery einmal beworben hat? Spielt hier aber eigentlich keine Rolle, denn nach eigenen Angaben gibt es hier über 350 Sorten! Wenn man genauer hinschaut, hat sich „Harry‘s“ doch etwas an modernere Zeiten angepasst. Wer den Blick in die Geschichte der „großen Alten“ in Form von Getränken zuhause nacherleben möchte, für den bietet der Souvenirverkauf einige Möglichkeiten; so zum Beispiel das „Harry‘s ABC of Mixing“ in Form eines Büchleins mit Tipps rund um die richtige Handhabung des eigentlichen Grunds für einen Besuch hier: den Cocktail.

Trinkgeld, Live-Musik und kein Wein zu späterer Stunde
Doch das ist wohl das augenfälligste Zugeständnis: Bestellungen werden hier noch immer nicht einfach nur beiläufig aufgegeben, sondern eher zelebriert: Ein „Royal Lochnagar“, was dem „bartender“ ein „oh, magnifique“ entlockt – und so den Gästen in der „sank roo doe noo“ das Gefühl einer gewissen  Vertrautheit vermittelt. Es ist wie in früheren Tagen, sogar Stammgäste haben ihren eigenen „Deckel“ – und die „bartender“ dürfen sich am Ende auch freuen, denn das Trinkgeld verdient hier noch seinen Namen. Getrunken wird, oft auch einiges – und das „pourboire“ stimmt.
Im Untergeschoss von „Harry‘s“, in der „Piano Bar“, gibt es spätabendlich Musik, früher war es oft Jazz. Auf diesem Klavier soll George Gershwin übrigens sein „American in Paris“ komponiert haben – wie erzählt wird, kam das nicht gut an, die Besucher der Bar baten um einen Klavierstimmer.

Aber die Geschichte wird den Bohemien des 21. Jahrhunderts wohl wenig stören. Der längliche Thekenraum wird primär angesteuert von Menschen, die ein wenig den Duft der Geschichte einatmen wollen. Und Zeit für ein Abtauchen in diese glorreichen Zeiten ist im „Harrys“, das bei allen Literaten in Paris vorkommt, genug. Immerhin ist bis 2 Uhr geöffnet – auch wenn ein profanes Mineralwasser heute über fünf Euro kostet – und abends kein Wein ausgeschenkt wird. Aber mal ehrlich: Wer kommt schon für ein Wasser her?

Infos: Harry‘s New York Bar“, 5, rue Daunou (2°), Tradition seit 1911 – und in Paris immer einen Abstecher wert, täglich geöffnet von 12 bis 2 Uhr, sonntags später, https://www.harrysbar.fr

Quelle: Eigen

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