Kreuzfahrt als Selbstzweck


Wohin boomen sich die Cruiser?
Peter Hinze sieht über den Boom der Kreuzfahrten hinaus und nicht darüber hinweg:
Die Jubelmeldungen nehmen kein Ende: Der Kreuzfahrtmarkt boomt. Neue Schiffe, neue Kunden, neue Superlative. Doch die erfolgsverwöhnten Reisemanager verlieren den Weitblick: Es formiert sich Wiederstand. Der Grund: Die Kreuzfahrtbranche denkt nur an sich und die eigenen Kassen. Die Häfen und ihre Bewohner haben immer häufiger das Nachsehen – und gehen leer aus. Zeit für einen Zwischenruf.
Mir war „schlecht“, aber ich war nicht seekrank. Meine letzte Kreuzfahrt, durch die Ostsee Richtung Skandinavien, liegt schon zwei Jahre zurück. Ich bin vielleicht kein Kreuzfahrt-Fan, aber durchaus ein „Kreuzfahrt-Freund“. Und trotzdem ist mir letzte Woche ziemlich „schlecht“ geworden. AIDA hatte gerade die neuen Pläne für ein noch gigantischeres Schiff mit dem Namen „AIDA Prima“ ausgerollt, während die deutsche Konkurrenz gerade das Geschirr für ihr nächstes Schiff mit noch gigantischeren Ausmaßen und noch mehr Bars, Bord-Entertainment, Kabinen und wer weiß noch was, aussuchte. Jede Reederei will die andere übertreffen. Und so werden Ankündigungen von Schiffsneubauten zu einer einzigartigen Inszenierung, die ein noch gigantischeres Medienecho nach sich zieht. Schuld an meinem miesen Zustand war deshalb eine Art „Kreuzfahrt-PR“-Tsunami.
Ich dachte, warte noch ein wenig ab, dann kommt schon der eine oder andere Kommentator, der den Boom bei den Schiffen etwas hinterfragt. Doch: nix passierte. Als selbst SPIEGEL ONLINE (SPON) in einem Beitrag euphorisch die größten Schiffstaufen des Jahres 2014 zur wichtigen Story erhob, wusste ich: Abwarten hat keinen Zweck mehr. Es wird sich, außer bei den „Grünen“ und anderen Öko-Freunden, keine mahnende oder hinterfragende Stimme
Wie die Stimmung unter den reisefreudigen Deutschen allerdings mittlerweile ist, lässt sich inzwischen aus den zahlreichen Kommentaren auf dem SPON-Artikel ablesen. Ein Klick lohnt sich, vor allem für die führenden Kreuzfahrtmanager. Das Zwischenfazit: Es gibt zumindest genug Reisende, denen der Kreuzfahrt-Hype langsam auf die Nerven geht. Denn so schön ein Törn auch sein mag, es ist Zeit das Thema etwas distanzierter anzugehen. Bald wird auch dem größten Meeresfan klar werden: Die Kreuzfahrt-Industrie droht aus dem Ruder zu laufen – und der Gegenwind nimmt an Stärke zu, auch wenn es bislang nur eine sehr seichte Brise sein mag.
Natürlich ist die bisherige Entwicklung gigantisch: „Erstmals unternahmen 2012 fast zwei Millionen Bundesbürger eine Reise auf einem Hochsee- oder Flusskreuzfahrtschiff“, so der „Deutsche ReiseVerband“ (DRV) anlässlich der ITB 2013 in Berlin. Und gebetsmühlenartig fügt die Branche dann hinzu: „Und der noch zu erschließende Markt ist in Deutschland gigantisch, denn bislang haben erst xx Prozent der Interessenten eine Schiffsreise gebucht!“ Stimmt. Doch die Gefahren lauern an anderen Ufern. Denn die Kreuzfahrt hat in den letzten Jahren massiv ihr „Gesicht“ verändert: Früher war das Schiff ein Verkehrsmittel, das den Reisenden zu den schönsten Häfen der Sieben Weltmeere bringen sollte. Und heute? Heute ist das Schiff das eigentliche Ziel der Reise – und die Häfen sind zu einer austauschbaren Kulisse degradiert worden.
Noch schlimmer: Ziel der Törn-Veranstalter ist es, die Passagiere möglichst gar nicht mehr von Bord zu lassen. Nein, sie sollen an Bord bleiben und an Bord für weiteren Umsatz sorgen. Daher bekommen die neuen Schiffe noch mehr Unterhaltungsmöglichkeiten, Shoppingmalls, Spas und Massagen sowie Restaurants – hin bis zum Currywurst-Stand und zum Wintergarten. Wie Daheim bei Muttern soll es auf hoher See sein. „Das Schiff wird noch mehr zur Destination“, schwärmte AIDA-Mann Felix Eichhorn – naja, es ist auch sein Job. Dafür wird er bezahlt. Das ist legitim, Geld regiert schließlich nicht nur die Welt an Land, sondern auch auf dem Wasser. Wenn die Schiffsbranche die Krise erreicht, dann ist Eichhorn schon in einer anderen Industrie und erzählt dort von der rosaroten Zukunft. So sind sie heute, die neuen Manager. Auch im Tourismus.
Doch auf die Frage, was haben künftig eigentlich die Häfen und ihre Bewohner von der Ankunft der großen Mega-Pötte, wird auch AIDA-Eichhorn nach einer Antwort suchen müssen. Eine ehrliche Antwort könnte lauten: Immer weniger haben sie davon – und bald wird es nichts ein. Und deshalb rumort es in den Häfen. Die Fragen, Zweifel und Proteste an Land nehmen dramatisch zu. Doch die Kreuzfahrt-Industrie gibt sich unwissend, baut größere Schiffe mit mehr Kapazitäten und ignoriert das Geschehen an Land. Diese Einstellung wird sich bald rächen.
Venedig Mitte September war nur der Anfang. Einheimische Schwimmer blockierten hier die Einfahrt Richtung Cruise-Terminal. Knapp 1000 Demonstranten protestierten gegen bis zu zwölf Großschiffe mit rund 30 000 Passagieren, die die enge Passage durch den Giudecca-Kanal fast täglich passieren und Venedigs Paläste nicht selten in ihren Grundfesten erschüttern. Nirgendwo sonst auf der Welt kommen sich „Latte“ und Lotse, Cappuccino und Captain so nah.
Diese und weitere Geschichten von Peter Hinze unter: https://www.reception-insider.com

Quelle: reception-Insider.com

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