"The Governor's Residence", die begehrteste Luxus-Herberge in Yangon, leitet ein Deutscher: Thomas Henseler. Das Problem: Damit hat der 45-Jährige Allgäuer auch einen der heißesten Hoteljobs in Burma. Ein Gespräch über zu wenig Betten, zu wenig Personal und zu viele Enttäuschungen, die den Reisealltag trüben
Burma-Boom: Interview mit Thomas Henseler (The Governor's Residence/Yangon)
35 Grad im Schatten. 45 Minuten mit dem Taxi im Stau gestanden. Baustellen an jeder Kreuzung. Yangon, hoch gelobt und hoch geschrieben, ist abseits der berühmten Shwedagon-Pagode derzeit alles andere als eine touristische Attraktion. Ich kenne weit schönere Städte in Asien. Seit der wirtschaftlichen Öffnung scheint das wirtschaftliche Wachstum dennoch grenzenlos. Und der Andrang ebenso. Bis zu sechs Wochen dauert es, um in der Berliner Myanmar-Botschaft ein Visum zu erhalten. Früher gab es rund zehn Anträge pro Tag. Heute treffen bis zu 400 Anträge täglich ein. Da lacht nur die Post. Der "Berliner Burmese" stöhnt ernüchert. . .
Trotzdem ist der Glaube, Burma sei die Touristendestination der Zukunft, unerschütterlich. Das könnte sich bald ändern, falls die Regierung nicht einen touristischen Masterplan auf die Beine stellt. Doch danach sieht es derzeit nicht aus. Zu verlockend ist für die Clains der einflußreichen Militär, die vor allem den Tourismus kontrollieren, die Aussicht, auf schnelle Gewinne und satten Reichtum.
Burma boomt – wirtschaftlich und touristisch. Darüber könnte sich auch Thomas Henseler freuen. Doch der Generalmanager von "The Governor's Residence" ist Realist. Seine einzige Chance, den Wahnsinn Burma erfolgreich zu meistern. Ein Gespräch.
The Reception Insider (RI) Glückwunsch!
Thomas Henseler Wie bitte? Warum?
RI:Ich war vor einigen Jahren mal hier, da konnten ihre Mitarbeiter in der Lobby ungestört Mittagsschlaf halten. Was übrigens auch ausgiebig getan wurde. Kein Gast störte. Und heute? An der Rezeption kommt kaum jemand zum Durchatmen. Gut, dass es in Burma keine Gewerkschaften gibt. . .
Ach so, jetzt verstehe ich. Ja, es ist schon Wahnsinn, was hier abgeht. Früher hatten wir an guten Tagen vielleicht vier Check-outs. Heute haben wir selbst an ganz normalen Tagen rund 40! Unglaublich.
RI: Und eine Auslastung von 100 Prozent? Also eine Zahl, von der ihre Kollegen in anderen Ländern nur träumen können.
Natürlich nicht ganz. Aber trotzdem sind unsere Zahlen unglaublich. 2011, als ich hier herkam, waren es 52 Prozent, 2012 stieg die Rate schon auf 73 Prozent. In diesem Jahr rechnen wir mit einer Auslastung von 82. Im Januar lagen wir sogar bei 95%. Unglaublich. Aber bis März ist noch Hochsaison, da boomt das Geschäft natürlich. Danach wird es ruhiger. Der Regen kommt, die Gäste weniger.
RI: Wäre ja eine gute Zeit für einen Anbau. Mehr Platz, mehr Betten - und noch mehr Ruhm für ihr Haus. . .
Das schaffen wir aus Platzgründen nicht. Aber zwischen Oktober und März könnten wir die dreifache Zahl an Zimmern. gebrauchen. Ohne Frage.
RI: 40 Zimmer! Andere wären über diese Anzahl schon mehr als zufrieden. Denn Tourismus und Burma bedeutet aktuell vor allem: Es fehlen Hotels! Es fehlen Betten. Allein der Mangel ist überall "zu haben".
Nein, da muss ich widersprechen. Es fehlen keine Hotels. Es mangelt daran, dass die einheimische Hotellerie einfach kein internationales Niveau hat. 90 – 95 Prozent der lokalen Hotels sind indiskutabel… na ja, sagen wir lieber: nicht auf internationalem Niveau. Von 8000 Hotelzimmern sind lediglich 1960 Zimmer in ausländischen Hotels. In diesem Bereich mangelt es Burma an der dringend notwendigen Qualität. In der Hochsaison haben wir zwischen 2000 und 2500 Ankünfte am internationalen Flughafen von Yangon pro Tag. Da kann man sich die Folgen leicht ausrechnen: Ständig ausgebucht! No chance!
RI: Und die nächste schlechte Nachricht: Das einzige, was die lokale Hotellerie auf internationalem Niveau zu bieten hat, sind die Preise. Ein „normales Zimmer“ ist eigentlich nicht mehr unter 100 US-$ zu bekommen. In gut einem Jahr haben sich die Preise fast verdoppelt. Längst stimmt vielerorts das Preis-Leistungsverhältnis nicht mehr.
(lacht) Ja, das hat Burma wenigstens geschafft. Jetzt müssen wir nur noch mit dem Service nachkommen. Eigentlich gibt es nur drei internationale Firmen, die sich in den Markt trauen. Wir mit "Orient-Express", Shangrila mit "Trader’s" und GHM mit "The Strand".
RI: Immer mehr Besucher sind nach ihrer Burma-Reise enttäuscht, weil sie sich etwas anderes erwartet haben. Die neue Gästeklientel ist weniger abenteuerlich, dafür aber mehr service- und luxus-orientiert. In Burma ist eine solche Einstellung vielerorts jedoch fehl am Platz. Das Land wird immer häufiger zu einem Reiseabenteuer mit ungewissen Ausgang.
Im Luxussegment, in dem wir mit Orient-Express zuhause sind, ist das nicht der Fall. Wir bieten Top-Service und Top-Qualität. Wer aber eher im mittleren oder günstigeren Bereich unterwegs ist, da kann ich mir die Enttäuschung schon gut vorstellen. Wer sich nicht selbst durchschlagen will, für den ist Burma ein Alptraum. Der lokalen Infrastruktur fehlt es an fast allem. Nicht genug Flüge, ständige Umbuchungen, fehlende Benachrichtigungen über Änderungen, bis zu sechs Monaten Wartezeit für Hotelreservierungen, keine Bestätigungen für Hotels. Wahnsinn.
RI: Der Wahnsinn wird ihre Kunden weniger betreffen. Orient-Express bietet ja eher das Rundum-Wohlfühl-Sicherheitspaket.
Zum Glück. Und was wir bieten stellt eine Extraklasse in diesem Land da. Die klassische Reise unserer Gäste startet mit ein bis zwei Nächten in Yangon. Dann folgen drei bis vier Nächte auf unserem Luxuschiff „Road to Mandalay“, ein einmaliges Erlebnis. Später zwei Nächte am Inle See, dann Yangon und dann zum Baden nach Thailand.
RI: Nach zwei Jahren in Yangon – was hat Sie beruflich am meisten überrascht?
Ganz ehrlich: Viele Hoteliers, die schon lange hier sind, haben häufig den Anschluss an den internationalen Markt verpasst. Da leben einige in einer anderen Welt. Die meisten wollen jetzt in sechs Monaten reich werden. Auch das ist der Wahnsinn.
RI: Aber die Chancen stehen doch nicht schlecht. Neben guten Hotels boomen auch gute Restaurants. Ach, eigentlich boomt doch alles.
Natürlich, das stimmt. Früher hatten wir zehn Abendessen – heute machen wir fast täglich 100 bis 120. Das sind die Mitarbeiter gar nicht gewöhnt. Da fehlt es auch oft an der Organisation. Wir setzen deshalb mehr auf junge Leute, die nicht aus der politischen und wirtschaftlichen Geschichte des Landes heraus belastet sind. Ich habe 21-Jährige, mit einem Jahr Berufserfahrung, die schaffen mehr als Ältere, die 40 Jahre Berufserfahrung haben.
RI: Aber der Wechsel in der Klientel ist ja auch nicht ganz einfach: Früher kamen Abenteurer und Rucksackreisende. Heute Politiker und Promis.
Burma ist zur Zeit „The flavour of the year“. Touristen, die schon überall waren, kommen jetzt hierher. Und es kommen ständig Celebrities. Cliff Richards war da. Die Herzogin von Alba mit dem neuen Ehemann. Außenminister Guido Westerwelle, aber nicht zum Schlafen, sondern nur für ein Dinner. Die Politiker Solms und Niebel und viele Andere. Es geht jetzt darum, wirtschaftliche Felder abzustecken.
RI:In fünf Jahren ist das „Fell des Bären“ verteilt, wenn die einflußreichen Chinesen in der Zwischenzeit noch ein Stück vom Land übriglassen. Da drängt sich die Frage auf: Wo steht Burma selbst in fünf Jahren?
Ich denke die Entwicklung verläuft positiv. Obwohl die Verfolgung der Minderheit der Rohingyas und die Kämpfe mit der Unabhängigkeitsbewegung der Kachin Probleme bereiten. Das muss gelöst werden, sonst könnte es wieder eine kritische Lage geben. Noch ist Burma nicht in einer garantiert stabilen Lage.
The Reception Insider ist Peter Hinze. "Hinziges aus aller Welt" zeigt nur einen Teil des Bloggs unseres Autors. Weitere und ausführlichere Geschichten finden Sie unter: http://https://www.reception-insider.com
Quelle: reception-insider
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