Burma boomt trotz Rebellen und Militärs

Einziges Interview mit dem burmesischen Tourismusminister in Deutschland
Peter Hinze hat ihn interviewt und ungewohnte Offenheit mit klaren Worten erlebt: Burmas Hotel- und Tourismusminister, H.E. U Htay Aung.Trotz alter Militärs gibt es neue Tourismusrekorde – trotz kampfbereiter Rebellen kommen Heerscharen unternehmungslustiger Besucher: Burma (Myanmar) boomt. Und gilt nicht nur bei den Experten der Kult-Reisezeitschrift "Lonely Planet" als "The World Best Tourist Destination 2014". Das klingt nach heiler Welt, doch eines der ärmsten Länder in Südostasien kämpft um seinen "neuen" Ruf, um ein neues Image – und muss doch feststellen: Es ist noch ein langer Weg zurück zur Normaliät nach 22 Jahren Militärdiktatur. Egal: Die Tourismuswelt spielt trotzdem verrückt: Kein anderes Land kann aktuell höhere Steigerungen bei der Einreise von Besuchern vorweisen. Damit ist Tourismusminister H. E. Htay Aung, ein kleiner, stiller Politiker aus Naypyidaw, eine Art "Weltmeister" – und muss umso mehr eine Gratwanderung zwischen touristischer Euphorie und ökologisch-rücksichtsvoller Expansion bewältigen. Genug Gründe, die Visionen und Ambitionen des neuen Burmas (Myanmar) mit dem Minister zu diskutieren. Das Interview.
Hinze:An der Aktienbörse würde man sagen: Der Burma-Tourismus haussiert. Es müsste Ihnen also prächtig gehen?
H. E. Htay Aung : Ja, wir erwarten im Jahr 2015 mehr als vier Millionen Besucher. Das wäre nochmals ein Plus von über 30 Prozent. Schon von 2010 bis 2014 hatten wir eine Steigerung von 300 Prozent.
Hinze: Großer Ansturm bedeutet für Burma aber auch: Es fehlt an der notwendigen Infrastruktur. So gibt es massive Hotelprobleme.
Aung : Wir verfügen aktuell landesweit über knapp 1100 Hotels. Zwei Drittel in den Großstädten Yangon (279) und Mandalay (329) sowie im Shan-Staat (200), zudem auch der touristisch wichtige Inle-See gehört.
Hinze:Das sind Zahlen. Die Realität: Es herrscht ein großer Mangel. Neue Häuser braucht das Land!
Aung: Allein seit 2014 sind 45 neue Projekte gestartet oder in Planung. Wir holen also deutlich auf. 2,5 Milliarden US-Dollar wurden allein 2014 investiert. Shangri-La, Novotel, Hilton, Sedona, Pullmann, Pan Pacific – alle großen Brands sind nun dabei. Zudem verhandeln wir im Airline-Bereich intensiv mit Air France über einen Direktflug.
Hinze: Klingt nach heiler Welt: Trotzdem häufen sich Beschwerden von enttäuschten Touristen. Burma scheint vielerorts mit dem Ansturm nicht fertig zu werden.
Aung: Das ist so nicht richtig. Wir tun unser Bestes: Wir folgen bis 2020 einem Masterplan. Wir bauen neue Flughäfen, wir verbessern das noch mangelhafte Straßensystem. Wir haben am 1. September 2014 ein modernes E-Visa-System eingeführt, das allein 2014 schon 17 000 Besucher genutzt haben. Die Ausgaben der Touristen sind in nur drei Jahren um 500 Prozent gestiegen. Glauben Sie mir: Wir bemühen uns.
Hinze: So ist das Leben: Vergessen sind plötzlich fast drei Jahrezehnte brutale Militärdiktatur, Embargo und Wirtschaftsflaute. Jetzt schwärmt die Reisewelt nur noch von einem „einmalig-authentischen“ Asien-Erlebnis. Politisch hat sich aber noch gar nicht so viel getan. Die Militärs und ihre Familienclans halten noch immer alle (wirtschaftlichen) Fäden in der Hand. Trotzdem strömen die Touristen. Warum?
Aung: Die Menschen wollen den Alltag Burmas erleben, unsere Kultur und unsere Traditionen. Und an erster Stelle: Burmesen sind den Touristen gegenüber extrem freundlich und aufgeschlossen.
Hinze: Und dafür erschließen Sie neue Ziele, abseits der großen Vier: Yangon, Inle See, Bagan und Mandalay.
Aung: Burma bietet viel mehr: Kalaw zum Trekking, Monywa mit der größten Buddha der Welt oder auch Mrauk U als Alternative zum sehr touristischen Bagan sind besonders in unserem Fokus.
Hinze: Klingt gut, aber: Besucher brauchen immer bessere Nerven bei einer Burma-Reise. Der Verkehr in Yangon ist inzwischen ein wahres Horrorszenario. Aus Bagan wird vermehrt von Diebstählen berichtet.
Aung: Ja, da haben sie recht. Aber das sind doch die logischen Konsequenzen des, wie sie es selbst nennen, Tourismusbooms. Uns fehlen die Technologien und die Erfahrungen, um einen solchen Ansturm zu bewältigen.
Hinze: Trotzdem hat sich bereits einiges zum Guten gewandelt, auch dank Ihrer persönlichen Offenheit: So räumen Sie unumwunden ein, dass es in vielen Teilen Burmas massive Probleme mit Rebellen und Privatarmeen gibt. In vielen Gebieten, nicht immer touristisch relevant, herrscht eine bedenkliche Sicherheitslage. Dies wurde lange verschwiegen.
Aung: Ja, aber warum soll ich nicht offen darüber reden. Es ist nun einmal die gegenwärtige Situation. Dazu gehört auch, dass am 14. Februar bei einem Militärangriff 14 Rebellen in Nord-Myanmar nahe der chinesischen Grenze getötet wurden.
Hinze: Es war der Jahrestag der Nationalen Einheit (Union Day) und es war ein großer PR-Erfolg für die Rebellen. Es rumort aber auch in anderen Gebieten, in denen Burmas Armee keinerlei Kontrolle oder Einfluss besitzt. Vor allem in der rohstoffreichen Region Kachin gibt es Probleme, seit 2011 eine Waffenruhe nach 17 Jahren aufgekündigt wurde. 100 000 Menschen sollen mittlerweile auf der Flucht sein. Da darf man schon etwas Angst bekommen.
Aung: Nochmals: Ja, wir haben diese Konflikte, aber unsere Regierung versucht aktuell alles, um diese Krisen zu stabilisieren. Und: touristische Gebiete sind von diesen Auseinandersetzungen nicht betroffen. Sie beschränken sich auf zwei, drei unwegsame Gebiete entlang der Grenzen zu China und zu Thailand. Mehr als 80 Prozent Burmas sind ohne Einschränkungen zu bereisen. No problems! Frieden ist sehr wichtig, denn: Ohne Frieden wird es keinen nachhaltigen Aufschwung im Tourismus geben. Ganz klar!
Hinze: Die Probleme können also in der nahen Zukunft gelöst werden? Das wäre für viele politische Beobachter eine Überraschung, denn die meisten Rebellengruppen zeigen sich unversöhnlich und nicht verhandlungsbereit.
Hinze: Wir werden dafür Zeit benötigen. Und es hängt von allen Seiten ab, nicht nur von der Regierung meines Landes. Wir wollen Frieden für alle Menschen in Burma. Das ist unser Ziel. Allgemein gilt: Auch diese Gebiete können von Touristen besucht werden, allerdings sind dafür spezielle Genehmigungen der Regierung notwendig.
Hinze:Also könnte man sagen: Alles ist erlaubt, wenn es die Regierung genehmigt. Aber es gibt einen weiteren Risikofaktor: die Parlamentswahlen. Ende Oktober oder Anfang November wird ein neues Parlament. Es wird eine freie und faire Wahl sein, so das Versprechen. Aufgrund des vom Militär eingeführten Wahlablaufes wird es aber eine Präsidentin Aung San Suu Kyi trotzdem nicht geben. Das Wahlprozedere wurde so von den Militärs festgelegt.
Aung: Das kann und will ich nicht bewerten. Das ist nicht mein Bereich. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt.
Hinze: Zu Ihrer Zukunft hört man, es sei ihr letztes Jahr als Tourismusminister.
Aung: Oh, auch das ist eine sehr schwierige Frage. Ich kann dazu nichts sagen. Auch hier gilt: Warten wir ab, was die Zukunft bringen wird.
Hinze: Okay, dann machen wir es zum Abschluss etwas unpolitischer: Drei Ziele die H. E. Htay Aung, burmesischer Tourismusminister, auf einer eigenen Burma-Reise auf jeden Fall besuchen würde?
Aung: Bagan mit seinen Pagoden, den Strand von Ngapali und die schneebedeckten Berge im Norden.
Hinze: Touristisch und politisch eine gute und sichere Reise, Herr Minister!
Dieses Interview und weitere Themen bei https://www.reception-insider.com

Quelle: eigen

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