"Wir hacken keine Hände ab!"

Die Malediven in Zeiten der Scharia
Der Fall liegt bereits fast ein halbes Jahr zurück. Vergessen ist das brutale Vergehen aber nicht. Ganz im Gegenteil: Ein weltweiter Proteststurm könnte für massiven Imageschaden sorgen. Der Grund: Nachdem ein 15jähriges Mädchen auf der Malediven-Insel Feydhoo von ihrem Stiefvater vergewaltig und von mehreren einheimischen Männern missbraucht wurde, fällte das örtliche Gericht ein islamisches Urteil: Das Mädchen (!) wurde wegen Sex im minderjährigen Alter und außerehelichem Geschlechtsverkehr zu 100 Peitschenhieben und acht Monaten Hausarrest verurteilt. Das Urteil soll vollstreckt werden, wenn die Verurteilte 18 Jahre alt ist, so fordert es die Scharia, die islamische Gesetzgebung.

Malediven: exotische Inseln in turbulenten Zeiten In der heilen Tourismuswelt hat das Paradies Malediven sein Synonym als Idyll längst verloren – und seine Unschuld zudem: Nur wer noch ganz blauäugig durch die Reisewelt jettet, wird auf den Malediven allein Insel-Romantik verspüren. Vor allem der steigende islamische Einfluss erschüttert das lokale Leben und den internationalen Tourismus, der sich auf 87 der knapp 1200 Inseln beschränkt und als die wichtigste Einnahmequelle des Landes gilt.

Mittlerweile nimmt der globale Malediven-Protest dramatische Folgen an. So ist es nur noch eine Frage von wenigen Tagen bis die aus New York unabhängig agierende Organisation AVAAZ (https://www.avaaz.org) mehr als zwei Millionen Unterzeichner für einen Tourismusboykott Richtung Malediven zusammengebracht hat. Zu den Sympathisanten gehört auch Richard Branson, der eine Privatinsel des Atolls an wohlhabende Touristen vermietet. Der Brite forderte in den letzten Tagen die Regierung der Malediven massiv auf, das Urteil zu revideren.

Mittlerweile bemüht sich die Regierung um Schadensbegrenzung – und wittert hinter der Kampagne die Opposition um den 2012 gestürzten Ex-Präsidenten Nasheed. „Unter seiner Regierung gab es bereits ein ähnliches Urteil für ein 14jähriges Mädchen. Damals hat sich niemand aufgeregt“, sagte Ahmed Maleeh Jamaal, stellvertretender Tourismusminister jüngst auf einer Pressekonferenz. Für den Regierungspolitiker war dabei klar, dass vor allem die Oppositionspartei MDP versucht, den Tourismus, die wichtigste Einnahmequelle des Landes, massiv zu schädigen. Jährlich besuchen auch knapp 80 000 deutsche Urlauber das Land.

THE RECEPTION INSIDER(RI) sprach exklusiv mit Tourismusminister Ahmed Adeeb Abdul Gafoor ( 30 Jahre)

RI:Wann haben Sie das letzte Mal getanzt, der Minister?
GAFOOR:Ich habe auf der ITB getanzt. Ich weiß, warum Sie fragen. Kein Problem.
RI:Aber nicht auf den Malediven.
GAFOOR:Doch, dort auch. Wir haben neulich ein Kino eröffnet. Da tanzten viele Frauen. Und etliche Filmstars haben getanzt. Kein Problem für uns. Es war die islamische Partei Adhaalath, die Tanzen verbieten wollte. Unsere Regierung erlaubt das Tanzen. Und noch etwas: Es war doch Ex-Präsident Nasheed, der der islamischen Partei mit der Einführung eines „Ministerium für islamische Angelegenheiten“ erst die öffentliche Plattform für ihre jetzigen Aussagen gegeben hat. Nasheeds Regierung hat damals sogar dem Militär und der Polizei erlaubt, Bier zu trinken. Das haben wir ganz schnell wieder abgeschafft.

RI:Erst letztes Jahr sollten alle Spas geschlossen werden. Auch eine Meldung, die den Tourismus sicher nicht förderte und für negative Schlagzeilen sowie Verunsicherung sorgte.
GAFOOR:Nichts ist passiert. Natürlich sind alle Spas weiter geöffnet. Wir wollen den internationalen Tourismus – und wir unterstützen ihn. Der Tourismus ist von diesen Auseinandersetzungen in keinster Weise beeinträchtigt oder gefährdet.

RI:Jetzt wird die Lage aber kritischer. Ein 15jähriges Vergewaltigungsopfer ist zu 100 Peitschenhieben verurteilt worden. Weltweit gibt es einen Proteststurm. Fast zwei Millionen Unterstützer haben sich bereits zusammengefunden.
GAFOOR:Unsere Regierung ist nach dem bekannt werden und nach der Verhängung der Strafe eingeschritten. Wir werden das Gesetz ändern. Wir erlauben solche barbarischen Dinge nicht.
RI:Was wird geändert?
GAFOOR:Es geht in die Richtung, dass kein Minderjährige(r) verurteilt werden darf. Auch müssen alle Vergewaltigungsdelikte psychologisch untersucht werden.
RI:Grundlage für solche Urteile ist in der „islamischen Inselrepublik Malediven“ die Scharia. Auf dieser Grundlage wurde auch allen Christen im Jahr 2008 die Staatsbürgerschaft entzogen. Mit Demokratie hat dies wenig zu tun.
GAFOOR:Wir praktizieren keine islamische Scharia auf den Malediven. Wir praktizieren die Gesetzte, die im Parlament verabschiedet werden und dort gelten. Dafür mag die Scharia eine Grundlage sein. Aber es ist eine sehr moderate Grundlage.
RI:Also gilt auf den Malediven eine gemäßigte Form der Scharia?
GAFOOR:Nein. Wir haben ein demokratisch gewähltes Parlament. Das macht die Gesetze. Und deren Grundlage ist eine gemäßigte Form der Scharia. Aber sie ist nicht bestimmend.
RI:Die Scharia übt keinen Einfluss auf das tägliche Leben der Menschen auf den Malediven aus?
GAFOOR:Ja, das ist richtig. Wir hacken keine Hände ab*.
(*Aktuelle Anmerkung: Am 28.3. verabschiedete die maledivische Parlaments-Kommisson einen Gesetzentwurf, nach dem "Amputationen" als Strafe aufgenommen werden. Danach können zum Beispiel Diebe (u.a. Straftäter) mit dem Abhacken der Hand bestraft werden.)

RI:Aber es ist doch äußerst ungewöhnlich: Es gibt etliche Familien auf den Malediven, die die islamische Partei massiv unterstützen, aber gleichzeitig mit dem internationalen Tourismus hohe Gewinne erzielen. Übrigens auch in Zusammenarbeit mit deutschen Reiseveranstaltern.
GAFOOR:Ja, das ist sehr merkwürdig. Es gibt etliche Familien, die den Islam auf den Malediven und den Tourismus gleichermaßen unterstützen. Und es gibt noch mehr Familien, die im Tourismus Geld verdienen und gleichzeitig einen Tourismus-Boykott auf die Malediven unterstützen. Ich nenne diese Leute „linke Typen“. Diese Leute müssen weg. Unsere Ausrichtung ist „right center“. Und wir sind „business friendly“. Aber gleichzeitig auch konservativ. Wir erlauben weder extremistischen als auch islamistischen Leuten in unser Land zu kommen.

RI:Kann internationaler Tourismus in einer islamischen Gesellschaft funktionieren?
GAFOOR:Ja, natürlich. Weil wir eine offene Gesellschaft sind und durch die zahlreichen Besucher auch aus Europa ihre Einstellungen und ihre Werte kennen. Tourismus ist das Beste auf der Welt, was uns passieren kann. Denn dadurch entsteht ein Austausch an Kulturen und Einstellungen. Toleranz wird dadurch gefördert.

RI:Leicht gesagt: Aber auf vielen Hotelinseln hat doch ihre Regierung gar keinen Einfluss. Da dürfen internationale Gesellschaften machen, was sie wollen. Da tanzen die Gäste oder liegen nackt am Strand, trinken Alkohol so viel sie wollen. Die „pfeifen“ auf ihre Regierung.
GAFOOR:Malediven: exotische Inseln in turbulenten ZeitenLangsam. Natürlich haben wir Einflussmöglichkeiten. Wir haben Pachtverträge, die über 50 Jahre laufen. Und wenn sich etwas nicht so entwickelt, wie wir es uns vorstellen, dann werden diese Verträge nicht verlängert. Wir kontrollieren und checken die Inseln regelmäßig. Wir haben genügend Einfluss, um Exzesse zu verhindern.

RI:Also kein Ausverkauf des Landes an die internationale Fünf-Sterne-Hotellerie?
GAFOOR:Nein. Wir haben die Lage unter Kontrolle.
RI:Herzlichen Dank für das Gespräch.

Der Journalist Peter Hinze ist der reception-insider. Diese und andere Geschichten finden Sie in seinem Block unter: https://www.reception-insider.com

Quelle: reception-insider

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