Da bleibt der Deckel drauf!

Die wahren Geheimnisse der Weber-Grill-Kunst
Für die einen mag es ja schon ein gelüftetes Geheimnis sein, dass der berühmte Weber-Grill gar kein deutsches Produkt ist, sondern als Kugelgrill 1952 von Georg Stephen erfunden und in Pallatine im US-Bundesstaat Illinois produziert wird. Und für eine Auskunft über die Anzahl von verkauften Grillstationen in Deutschland gilt dasselbe, was für alle Grillratschläge in den Weberschen Kugeln gilt: Da bleibt der Deckel drauf!
So um die 1,4 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr wird wohl mit Grillen in Deutschland gemacht, Webers größter Konkurrent Landmann soll schon vor Jahren knapp 5 Millionen Grills über Baumärkte und Diskounter verkauft haben und der Markt wächst jährlich im oberen zweistelligen Bereich.
Die Modelle reichen da vom einfachsten Holzkohlegrill an der Tanke für ein paar Euro, bis zum Hightech-Jumbo auf Gas-Basis mit Smoker für schlappe 7000 Euro.
Grillen ist Männersache, und wenn’s schon ein edles Teil für den Garten sein soll, dann möchte Mutti auch, dass Papi nicht nur Würschtel auf die heissen Stäbchen wirft. Also wird dem Ehemann ein „Weber Grillakademie Original Kurs Basic“ für 100 Euro spendiert, damit er lernt, wie man richtig Fleisch, Hähnchen und Beilagen grillt. Über 40.000 Grilljünger bemühen sich jährlich um den Zugang zur Weberschen Philosophie, Wartezeiten von über 3 Monaten sind in Ballungsgebieten der Alltag.
100 Euro also für 4 Stunden, an denen man laut ausgehändigter Urkunde erlernt: „Einführung ins Weber Original Grillsystem, direkte und indirekte Grillmethoden, Informationen zu Holzkohle-, Gas und Elektrogrills, Grilltechnik, Zubehör und Pflege und das Grillen eines kompletten Menüs für mehrere Personen.“
Erwartungsvoll betreten wir die Ziemannsche Kochschule in München, in der an diesem Sonntag der Basic-Kurs stattfinden soll. Im vorderen Raum unter Stuck-Gewölbe umhüllt von buntem Scheinwerferlicht können wir sie schon bewundern: die Super-Wahnsinns-Grillstationen aus dem Hause Weber auf Holzkohle- ,Gas- oder Elektrobasis. Weiter geht’s vom Showroom in die Showküche, in der die reichhaltige Palette des Weberschen Zubehör-Sortiments aufgebaut wurde: Gitter zum vertikalen Stapeln von Spareribs, Buchenholzbretter als Ablage für Räucherfisch, Tütchen für Anfeuerbriketts, Tütchen mit aromatisierten Buchenholzchips, Gäbelchen, Zangelchen, Spießchen und natürlich die „Weber Grill Fibel“, die schon über 1 Million mal verkauft wurde.
Alle 20 Teilnehmer des heutigen Kurses sind schwer beeindruckt, hat diese Welt doch nichts zu tun mit den armseligen Grillstationen und Zubehörmittelchen des deutschen Durchschnittsgrillers. Und unser Grilllehrer Rob ( mit mehr „a“ als „o“ gesprochen, da er Amerikaner ist) sagt den magischen Satz: „Egal ,was für ein Grill, der Deckel bleibt immer zu!“
In der Folge dürfen wir die Speisen, die wir heute im Grill erlernen sollen, aus den vorbereiteten Ingridenzien vorbereiten, aus dem Hergerichteten herrichten. Wir werden heute grillen: Sandwich mit Räucherlachs, Camembert und Feigen, Pasta mit Gemüse aus dem Wok, einen Nackenbraten mit Romana Salatherzen und Kartoffeln aus der Salzkruste, Bierdosenhähnchen ohne Bierdose und ein Aprikosenauflauf mit Mandeln.
Mir ist unklar, wozu ich für all diese schönen Gerichte in der Praxis neben der Küche auch noch den Grill einsauen sollte und so durstet mich nach einem Bier. Dieses wird mir mit dem Hinweis auf „versicherungstechnische Gründe“ bis „nach dem zweiten Gang“ verweigert. Es könnte ja gefährlich sein, da wir in der vorbereiteten Vorbereitung mit scharfen Messern hantierten. Letzteres war zwar dann doch schon vor dem 1.Gang endgültig erledigt, Bier gabs trotzdem keins.
Erst mussten wir Rob bewundernd begleiten, wie die vorbereiteten Grillstationen mit den vorbereiteten Speisen gefüllt wurden und „Deckel drauf!“ für das Auge verschwanden.
Um es gleich vorweg zu sagen: Ja, das Essen schmeckte ausgezeichnet, das Hühnchen auf der Weberschen „Hühnchen-wie-auf-Bierdose-aufgespiesst-Gusseisenform“ war zart und saftig, der Braten ein Traum. Aber wir hatten ja auch einen höchst erfahrenen Küchenchef, der alles gut vorbereitete, sowie kleine Hilfsmittelchen, die ja jeder von uns zuhause ebenso bereit hält, wie zum Beispiel einen Fleischtemperaturmesser. Wir lernen, dass bei 45 Minuten im geschlossenen Weber-Kugelgrill ein 6 Zentimeter dickes Steak genau 55 Grad Innentemperatur benötigt, um „medium“ zu sein und 52, 5 Grad für „medium rare“.
Ein einfacher Blick in die Runde lehrt auch, dass man, um auch nur das halbe Menü für 4 bis 6 Personen nachzukochen, mindestens 3 Weber-Kugelgrille benötigt, von denen mindestens einer über die Möglichkeit verfügen sollte, Flammen für indirekte Hitze exakt nach Temperaturanzeige im Deckel einstellen zu können.
Und –natürlich das Wichtigste- ,dass der DECKEL IMMER ZU BLEIBT!
Irgendwie bleibt für mich das wahre Grillen auf der Strecke: Feuer, Rauch, verzweifelte Versuche, die Grillkohle gleichmäßig heiss zu bekommen, tropfendes Fett, züngelnde Flammen, Löschbier für Grillgut und Griller, Männergespräche beim Wenden der Würschtel.
Frustriert nehme ich das Angebot von Rob an, noch in Ruhe an der Bar was zu trinken, bevor wir uns auf den Nachhauseweg machen. Ich bestelle einen Marillenschnaps von der reichlichst bestückten Bar und denke über Rob und die Grillakademie von Weber nach: Mit Stolz hatte ich auf Robs Frage, wann man denn ein Steak am besten würzte, mit Hinweis darauf aus der Weberschen Grillfibel fast wörtlich zitiert: Minuten vorher salzen und einmassieren, dann pfeffern, dann in den Grill. Rob sah mich für ein paar Sekunden schweigend an, um allen Teilnehmern einzuschärfen: Niemals vorher salzen und pfeffern! So wie es ist, ab in den Kugelgrill !
Mein Kopfschütteln wird noch heftiger, als ich für den Marillenschnaps von der Bedienung abkassiert werde. Der wäre nun wirklich nicht im Preis für den Kurs enthalten gewesen.

Quelle: eigen

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