Stille Tage im Lavaux

Weine werden nur alle 25 Jahre auf der „Fete des Vignerons" in Vevey gefeiert

Hoch über den Nordostufern des Genfersees erheben sich zwischen Lausanne und Vevey die sagenhaften Weinterrassen des Lavaux. Vor über 800 Jahren haben Mönche die sonnigen Steilhänge im Waadtland bereits kultiviert. Heute gehören die steilen Reblagen zum Welterbe der Unesco. Darauf erhebt Monsieur Chappius sein Glas. Er hat ein paar Flaschen aus seinem Keller geholt, wo die Weine in Holzfässern und nicht in Stahltanks reifen. „Die Fässer machen viel mehr Arbeit,“, sagt der Winzer, der in dem kleinen Dorf Rivaz mitten in den Weinbergen des Lavaux seinen Wein kultiviert. Er fühlt sich der Tradition verpflichtet. Und die reicht im Familienbetrieb Chappius bis ins 13. Jahrhundert zurück. Die Arbeit in den steilen Weinterrassen ist mühsam. Stufe um Stufe erstreckt sich der Rebhang bis hinunter zum Genfersee. Von der obersten Stufe sieht man die Palmen gesäumte Uferpromenade von Montreux, Sinnbild für die Schweizer Riviera. In östlicher Richtung erstreckt sich das weite Tal des Wallis, überragt von den schneebedeckten Zacken der Gletscher. „Das ist ein kleines Paradies“, sagt Chappius. Aber der einmalige Blick entschädigt nicht immer für die mühevolle Arbeit im Weinberg. Schon bei der Wanderung durch die sonnenverwöhnten Weingärten kommt man ins Schwitzen, obwohl die markierten Wege nicht annähernd so steil sind wie die Rebhänge. Auf den Tafeln am Weg erfährt man die Geschichte der einzigartigen Kulturlandschaft mit ihrem Jahrhunderte alten Geflecht aus gestützten Rebgärten und idyllischen Dörfern. Mönche des Zisterzienser-Ordens aus Burgund hatten die Weinbergterrassen im 12. Jahrhundert angelegt. Später übernahmen die Bauern der Gegend die Pflege der begnadeten Lagen. Wer sich die Geschichte schon zuhause anlesen möchte: Ein 32-seitiges Booklet mit dem Titel „Lavaux, Weinberg-Terrassen“ gibt dreisprachig Auskunft über die Geschichte der Region und ihre Winzerdörfer sowie über Adressen der Weinkeller und Veranstaltungstermine.
„Die Trauben gedeihen hier bei dreifacher Erwärmung!“ ruft Chappius. Erstens von der direkten Sonneneinstrahlung, dann von den vom See reflektierten Sonnenstrahlen und nicht zuletzt über die von Stützmauern gespeicherte Wärme.

Weltkulturerbe Weinberglandschaft
Entsprechend süffig ist der Wein, der zu den „Seigneurs“ der Waadtländer Gewächse zählt. Vorwiegend die Chasselas-Rebe (vergleichbar mit dem deutschen Gutedel) wächst auf den insgesamt 830 Hektar Anbaufläche, die sich über 300 Winzer teilen. Dank der besonderen Bodeneigenschaften gleicht jedoch keine Lage der anderen. Der Rhônegletscher, der einst über dieses Land hinweg gezogen ist und die Hänge umgepflügt hat, hinterließ einen Boden, der sich aus Lehm-und Kalkgestein zusammensetzt. Das spiegelt sich im Charakter der Reben wider. Während die Weine aus dem Espesses besonders frisch schmecken, können die Tropfen aus den extremen Steillagen von Dézaley lange reifen und einen gehaltvollen Geschmack entfalten.
Maurice Neyroud aus dem Dörfchen Chardonne oberhalb von Vevey, betreut, wie jeder typische Lavaux-Winzer, die Weinstöcke seiner kleinen Parzelle das ganze Jahr über allein. Schon der Erhalt der Stützmauern nimmt enorm viel Zeit in Anspruch. „Natürlich verbessert die Arbeit an den Mauern nicht direkt die Qualität des Weines“, erklärt er. „Aber sie muss in den Preis eingehen“. Eine Flasche Chasselas kostet deshalb Minimum 12 Franken. Der bodenständige Waadtländer hofft, dass der Weltkulturerbe-Titel den Blick für die harte Arbeit im Weinberg schärft und zum Verständnis für die hohen Preise beiträgt.
Abends im „Café de Bon Vin“, dem dörflichen Winzerlokal in Chardonne, dampfen Schüsseln mit Lauch und Kartoffeln auf dem Tisch. Die Wirtstochter der „Pinte“, wie die einfachen Winzergasthäuser hier heißen, stellt einen großen Teller mit Waadtländer Würsten, der Spezialität der Gegend, in die Mitte. Der süffige Wein läuft zum deftigen „Papet Vaudois“ gut durch die Kehle. Und der Preis, na ja, immerhin weiß man jetzt, dass der seine Berechtigung hat.

Charlies Schokoladenschuhe
Mit der Zahnradbahn geht es anschließend hinunter nach Vevey. Nach den stillen Tagen auf dem 32 Kilometer langen Winzerweg (von Lausanne bis zum Schloss Chillon bei Montreux) wirkt das pulsierende Leben an der Genfer See-Riviera wie ein Kontrastprogramm. Die blumen-geschmückten Promenaden und die malerische Seenlandschaft vor den schroff aufragenden Savoyer Alpen lockten schon im 19. Jahrhundert berühmte Gäste aus ganz Europa. Darunter Charly Chaplin. In der Confiserie Poyet gehören Charlies charakteristische Quadratlatschen zu den hausgemachten Schokoladenspezialitäten. Vevey, das sonst als Wiege der Milchschokolade gilt, ist für gut drei Wochen (18. Juli bis 11. August) das Mekka der Winzer mit großer Bühne, kulinarischen und künstlerischen Höhepunkten.



Weitere Informationen unter https://www.montreuxriviera.com
Mehr über die Schweiz unter https://www.MySwitzerland.com

Quelle: eigen

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