Vom „Easse und`s olte Wisse“

Originalrezepte und Lebensgeschichten aus Bad Hindelang

Es sind raue Zeiten, in den 30iger, 40iger und 50iger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Die Menschen in den heute als Urlaubsziel so beliebten Bergen wohnen in einfachen Häusern ohne fließendes Wasser, sie wachsen mit vier, fünf, sechs Geschwistern auf, die Eltern müssen hart arbeiten und das täglich Brot ist buchstäblich hart und karg. Der renommierte Luftkurort Bad Hindelang in den Allgäuer Alpen hat sich nun das Verdienst erworben, originale Rezepte aus der Küche jener Zeiten zu sammeln – garniert mit den Lebensgeschichten von 18 einheimischen Frauen und Männern. Zusammen ergibt das einen spannenden Einblick in einen Lebensalltag, der für die Menschen von heute unvorstellbar ist.

Marga und Schupfnudeln
Marga Golsner ist 1938 geboren, in einem Holzhaus ohne fließendes Wasser. Bei ihr gab es fast immer Sauerkraut,“Söükrüt“, wie die Hindelanger sagen. Es kam aus dem Unterland, aus der Gegend um Memmingen. In jedem Haus stand ein Fass mit Sauerkraut. Marga zaubert daraus „Gschupfte Krütnudla“ oder „Krütkrapfe“, nahrhafte Gerichte für das anstrengende Leben. Anni Müller aus Vorderhindelang ist noch vier Jahre älter als Marga, sie erzählt vom Haltbarmachen der Eier( „In Natronwasserlösung blieben die ein halbes Jahr lang frisch!“), vom geglückten Kartoffelanbau auf 1300 Meter Höhe und von kleinen harten Birnen, die zum beliebten „Zealte“(Früchtebrot) verarbeitet wurden.

Alois und Kartoffel-Makkaroni
Alois Besler,genannt „Liese“ und nach Bekundungen von Zeitgenossen „a wilda Hünd gwea“, stammt aus Hinterstein. Mit elf war er das erste Mal oben auf der Alp, Rinder hüten. Dann drei Jahre lang Kleinhirte, also Helfer, des Sennhirten, Melker und Milchzieher, mit 15 verdiente er sich sein erstes Geld. Bei ihm gabs und gibt’s Bergler Makkaroni mit Kartoffeln, eine Spezialität, die die italienischen Arbeiter beim Bau der Strasse übers Oberjoch ins Allgäu brachten. Nahrhaft wie die in Butterschmalz ausgebackenen Strauben oder die „Bocksekkel“, Semmelscheiben in Pfannkuchenteig.

Rezept für Käspfludra
Für diesen pikanten Semmelauflauf braucht man:
• 5 Semmeln (vom Vortag)
• ca. 150 g Bergkäse
• Butter zum Einfetten
• Salz und Pfeffer
• ca. 400 ml Fleisch- oderGemüsebrühe
• 2 EL Butter zum Abschmälzen
• 1 Zwiebel zum Abschmälzen

Und so geht’s: Die Semmeln in ca. 5 mm dicke Scheiben schneiden, den Käse reiben. Eine Auflaufform mit Butter einfetten. Nun die Semmelscheiben und den Käse abwechselnd in die Form schichten, nach Belieben würzen und mit der Brühe aufgießen und ca. 15 Minuten ziehen lassen. Im Rohr bei 180 °C ca. 30 Minuten backen. Anschließend die Zwiebeln in Butter knusprig anbraten und über den Auflauf geben.

Euter als Schnitzel des kleinen Mannes
Das Essen ist arm an Höhepunkten, Fleisch und Fisch sind wahre Kostbarkeiten. Die Hirten bekamen fette Kuttelsuppen, die Arbeiter „Kratzat“,eine Art einfacher Kaiserschmarrn. Gebackene Euter gelten als das Schnitzel des kleinen Mannes, Holler-Kiechl ( Holunderkrapfen) versüßen das Leben wenigstens ein bisschen. Äpfel vom Bodensee sind in den abgelegenen Gebirgstälern eine Sensation und das Mehlmus aus Butter, Wasser, Milch und Mehl stopfte morgens, mittags und abends die hungrigen Mägen. Wenn es Apfelmus dazu gab, war Feiertag.

Das ungewöhnliche Rezeptbuch aus dem Allgäu zeigt, wie regional früher die Küche war und wie nachhaltig gekocht wurde. Inwieweit das Essen vor 80, 90 oder 100 Jahren gesund gewesen ist, ist eine andere Frage. Zum Überleben hat es allemal gereicht.

„Easse und`s olte Wisse“,Context-Verlag Augsburg- Nürnberg,118 Seiten, zahlreiche Rezepte und Fotos. Preis: 24,90 Euro.

Quelle: eigen

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