Theaterwandern im Montafon


Bewegende Kultur auch im Gauertal
Mit den Füßen fest im Hier und Jetzt, doch mit den Gedanken in der Vergangenheit. Unterwegs auf Wanderwegen und doch irgendwie im Theater oder im Museum. Was im ersten Moment unwirklich klingt, wird im Westen Österreichs Realität. Den Rahmen dafür bieten die Montafoner Theaterwanderung und die Gauertaler AlpkulTour.
„Meine Freunde sind ausgelöscht. Man wird mit mir anstellen, was man will.“ Diese und ähnlich nachdenklich stimmende Textzeilen begleiten Wanderer bei der Montafoner Theaterwanderung „Auf der Flucht“ in Gargellen. In theatralischen und tänzerischen Streiflichtern spürt das „teatro caprile“ Fluchtschicksalen während der NS-Zeit nach. Auf dem Weg Richtung Sarotlajoch wird damit ein düsteres Kapitel der Vergangenheit thematisiert, das in der heutigen Zeit so aktuell wie lange nicht mehr ist.
„Der begangene Wanderweg ist nicht zufällig gewählt. Es ist einer jener Orte, an dem sich genau solche schicksalshafte Szenen abgespielt haben“, erklärt Schauspielerin Katharina Grabher. Gemeinsam mit ihren Theaterkollegen spielt sie inmitten der Bergkulisse des Rätikon so nah am Publikum wie selten. Die Reaktionen sind deshalb oft sehr emotional. Wahrscheinlich auch deshalb, weil das Publikum immer wieder selbst Teil des Theaterstückes wird und zwischen der Täter- und Opferperspektive wechselt.
Eng mit dem Stück „Auf der Flucht“ verbunden ist Friedrich Juen. Der Montafoner begleitet die Wanderung und schlüpft zwischen den Szenen in die Rolle des Erzählers. Was er berichtet, ist oft Teil seiner eigenen Familiengeschichte. Sein Großonkel Meinrad Juen war ein besonders gewiefter Schmuggler. Er verbesserte sich in der Kriegszeit durch den illegalen Handel mit Waren allerdings nicht nur seine Lebenssituation, sondern rettete auch zahlreichen Menschen das Leben. Unter Lebensgefahr schaffte er insgesamt 42 Juden über die Grenze in die Schweiz und schützte sie damit vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten.
„Bei den ersten Proben fehlten mir die Worte. Die authentischen Texte haben mich sehr berührt“, erzählt Friedrich Juen. Die Reaktionen der Teilnehmer sind es auch, die ihn jedes Mal aufs Neue faszinieren: „Im Anschluss an die Theaterwanderung spreche ich oft mit den Besuchern und erfahre dann ihre ganz persönliche Geschichte und warum sie hier teilgenommen haben.“

Einem großen Kapitel der Vergangenheit widmet sich auch die Gauertaler AlpkulTour. Der Themenwanderweg nimmt Interessierte mit auf eine Reise durch die Montafoner Kulturlandschaft. Insgesamt 13 Stationen laden zum Staunen, Nachdenken, Philosophieren und Phantasieren ein. Und das auch wegen ihrer außergewöhnlichen Erscheinung für die der heimische Künstler Roland Haas verantwortlich zeichnet. Die Holzskulpturen geben Einblicke in ein früheres Kapitel: Sie beleuchten beispielsweise das Hirtenleben, die Maisäßkultur oder die Alpgeschichte.

„Mir ist erst seitdem ich mich intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt habe bewusst, wie sehr und wie schnell sich unsere Kulturlandschaft durch den Wandel der Alpbewirtschaftung verändert hat“, erklärt Roland Haas. Auf die Entstehung des Themenwanderweges vor einigen Jahren blickt er gerne zurück. Und noch heute, nachdem er den Weg schon unzählige Male gewandert ist, kann der Künstler keine Lieblingsskulptur benennen. „Besonders ist auf jeden Fall der Mythenbaum der stark und stur seine Wurzeln in den Himmel reckt. Ich mag die Umkehr von oben und unten – sie lässt viel Spielraum für eigene Interpretationen.“

Auch der Geweihbaum zum Abschluss des Themenwanderweges nennt er als persönlichen Höhepunkt. Auf einem Fels stehend, kerzengerade mit einer dichten, massiven Krone aus Hirschgeweihen fasziniert er die Besucher und spielt auf das Verhältnis zwischen Jagd und Landwirtschaft an.

Die Gauertaler AlpkulTour kann den ganzen Sommer über erwandert werden. Jeden Montag gibt es diesen Sommer eine geführte Tour mit dem Künstler Roland Haas oder einem Wanderführer von BergAktiv. Dabei werden die Skulpturen vorgestellt und die Hintergründe erläutert – von der ersten Idee bis zur Umsetzung des Kunstprojekts.
Mehr Informationen: montafon.at, montafon.at/auf-der-flucht, alpkultour.com

Quelle: Montafon

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