Hinze,Pudong
Hinze,McDonald-Verkäufer Shanghai
Huangpu Mc Donalds kleinster Laden
Es ist das kleinste Mc-Restaurant der Welt. Es macht global den geringsten Umsatz aller gut 33 000 Mc-Restaurants. Trotzdem: Die knapp vier Quadratmeter „große“ Container-Filiale in Shanghai ist einer der wichtigsten Werbeträger für die Hamburger-Kette. Denn die Lage ist perfekt: Die Uferpromenade von Pudong wird täglich millionenfach fotografiert Das Menü liest sich schneller als sonst. Und die Bedienung ist es auch: Die Wahl fällt auf schwarzen Kaffee oder Softeis im Plastikbecher. Kein Wunder, mehr steht kaum zur Auswahl. Die Kür: Zum „Coffee“ gibt es einen schwarzen Keks, gefüllt mit weißer Creme. Ein China-Klassiker. McDonald’s mag es einfach an der Uferpromenade von Pudong; dort, wo Shanghai in den Himmel wächst und Hotels mit Banken um die meisten Stockwerke und die höchsten Gebäude kämpfen.
In Pudong erübrigt sich die Frage, welches Spielzeug es denn zum „Kid’s Menu“ sein soll. Es gibt kein Menü. Hier sucht der Gast vergeblich nach den Klassikern, die McDonald’s so berühmt und zuweilen unverzichtbar gemacht haben. Hier ist irgendwie alles anders. Dieses „McDonald’s“ gleicht eher einer Art „Dixi Klo fürs Takeaway“. Es ist ein Container aus weißen Plastikwänden, knapp vier Quadratmeter groß, mit einer Kaffee-Maschine, einer Kasse, einem Kühlschrank, sterilem Ambiente – und mit einer Bedienung, die keine Zeit hat, ausführlich Fragen zu beantworten. Denn auch für die Genossen muss der Kaffee fließen, schließlich wissen auch Chinesen inzwischen, was Starbuck’s & Co. so servieren können. Also hört der Gast vor allem: „Meo!“ – Das bedeutet so viel wie „Nein“, in dem Sinne von „Haben wir nicht!“ Und: „Es wäre schön, wenn mich die Langnase nun endlich wieder in Ruhe lassen würde“.
Dafür hat der „Mc-Container“ etwas anderes, was eine ganz Anzahl von Weltkonzernen sicher gerne hätte: Er hat die perfekte Lage auf einer der teuersten Ufer-Meilen der Welt. Wahrscheinlich sind Pariser Champs-Élysées oder Münchner Maximilian Straße ein Schnäppchen gegen diesen Standort auf Pudong. Doch der wahre Wert der Lage lässt sich nicht in Quadratmeterpreisen berechnen. Der wahre Wert liegt auf der anderen Seite des Huangpu-Flusses: Dort, wo die Einkaufsstraße Nanjing-Lu auf „The Bund“ trifft; dort, wo das moderne Shanghai noch immer gegen seinen kolonialen Vorläufer kaum eine Chance besitzt, dort strömen an Feiertagen bis zu eine Million Besucher und Touristen an das Ufer – und sie machen vor allem eines: Sie fotografieren! Die Skyline von Pudong – und das gelbe „M“ von McDonalds! Fertig ist die Erfolgsgeschichte! Später stehen die Bilder aus Shanghai in den Jurten in der fernen, einsamen Inneren Mongolei oder auf den Schränken neben den Portraits der alten Politgarde im eisig-kalten Harbin. Man erinnert sich an die Reise nach Shanghai – und man wird sich an das "M" erinnern, das man schon im TV erstaunt betrachten konnte. Perfekter kann Guerilla-Marketing kaum sein.
Es dürften weit mehr als fünf Millionen Fotos sein, die täglich die moderne Skyline des Shanghaier Pudong-Distriktes wiedergeben. An trüben Tagen ist das „M“ kaum zu erkennen. Auch sonst ist es mit dem Normalobjektiv nicht ganz leicht auszumachen. Doch je näher die Touristen die Hochhäuser mit ihren Teleobjektiven heranholen, desto mehr rückt der wahre Grund für den „Mc-Container“ in den Fokus. Dieses McDonald’s-Restaurant gibt es nur aus Marketinggründen! Und es ist strategisch perfekt positioniert. So wird auch nicht zum Fluss hin bedient. Nein, die Bestellung geben die Kunden an der Seite auf. An der Seite entlang des Flusses gibt es nur eins: das große „M“. Zufall, dass auch der Name des großen Genossen mit einem „M“ beginnt. Heute macht das „Mc“ dem Mao definitiv ernsthafte Konkurrenz. . .
Am 15. Mai 1940 verschwand der erste Hamburger in San Bernardino (Kalifornien) in einem amerikanischen Magen. Inzwischen finden sich in US-Telefonbüchern gut 19 000 Zweigstellen. Am 22. November 1971 feierte man Deutschland-Premiere in München. China war dagegen eher ein Hamburger-Spät-Starter: Als 51. Nation durfte sich das „Land der Mitte“ dem Kreis der Fritten-Fans zurechnen. Man schrieb bereits den 8. Oktober 1990. In der Sonderwirtschaftszone Shenzhen kam der erste Fleischklops ins Rollen. Mittlerweile buhlen mehr als 1700 Imbisse um zumeist junge Chinesen. Allein in Shanghai gibt es über 100 Filialen. Im Jahr 2010 stieg die Anzahl der „Takeaway“-Outlets im Vergleich zum Vorjahr um satte 70 Prozent. Auch beim Buletten braten sind die Chinesen für Rekorde zuständig. Und damit das Geschäft auch weiterhin floriert, soll das Angebot nun auch Reisgerichte undWraps mit Hühnchen umfassen, so berichtete es jüngst ein Internetportal.
Die Zahl der Länder ohne McDonald’s ist überschaubar und umstritten: Wahrscheinlich gehört Burma (noch) dazu. Afghanistan, außerhalb der US-Militärbasen, gilt auch aktuell als „Hamburger freie“ Zone. Einen Sonderfall stellt dagegen Bolivien da: Die Südamerikaner dürfen sich rühmen, das einzige Land zu sein, das sich von acht Mc-Filialen trennte, und seit Anfang 2012 wieder Mc-frei ist. So zumindest letzte Berichte.
Derartige Modetrends schwappen am Mc-Container von Pudong milde vorbei. Auch das wiederholte Fragen nach „BigMac“ entlockt der Fleischfachverkäuferin keine merkbare Regung. Es bleibt beim „Meo“ und beim Kaffee. Für mehr ist ja auch kein Platz. Also nimmt man seinen Plastikbecher, steht an der Promenade, schaut auf die Skyline, hört ein paar patriotische Lieder, diskutiert mit den Souvenirverkäufern über zu hohe Preise und sieht hinüber zum „The Bund“, dort wo Shanghai koloniales Erbe sich noch heute findet. Mit deutschen Spuren, die Anfang des 20. Jahrhunderts sicher nicht an Hamburger, sondern an Bratwürste dachten. Shanghai gilt als weltoffene Stadt – und kulinarische Herausforderungen gehören dazu. Ob früher in der kolonialen Periode oder heute in einem kleinen Container des Weltkonzerns McDonald's.
Autor ist Peter Hinze. Mehr von peter Hinze gibt es unter https://www.reception-insider.de
Quelle: www.reception-insider.com
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