Wo die besten Muscheln reifen

Die Sandalgarve in Portugal
Im portugiesischen Naturschutzgebiet Ria Formosa – an der Sandalgarve zwischen Faro und Tavira – gehen immer noch Muschelfarmer ihrem traditionellen Handwerk nach. Wegen der hervorragenden Wasserqualität bringen auch viele französische Firmen ihre Baby-Austern hierher zur Aufzucht. Besser und frischer als in den Restaurants auf den kleinen Inseln des Naturwunders können die Meeresfrüchte nicht schmecken.

Wenn sich am Morgen das Meer aus der lagunenartigen Bucht der Ria Formosa zurückzieht, schlägt die Stunde von Muschelfarmer Abel. Mit seinem kleinen Motorboot rauscht er von Fuseta aus über die kanalartigen Wasseradern zwischen den flachen Sanddünen zu „seiner“ Sandbank. In gebückter Haltung durchkämmt der 67-jährige Portugiese drei Stunden lang die 10.000 Quadratmeter, die das Anbaugebiet seiner Muschelfarm umfassen.

Die Ria Formosa an der Küste der Sandalgarve zwischen Faro und Tavira ist eine unter Naturschutz stehende Lagunenlandschaft und eines der sieben Naturwunder Portugals. Wer die Sonne und das Meer liebt, für den sind die Inseln der Ria Formosa ein wahres Paradies. Wasser und Sand wirken hier nahezu karibisch an, dennoch sind deren ausgedehnte Strände fast menschenleer, weil meist nur per Boot, zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu erreichen.

Der einzigartige Landstrich mit einer Fläche von 18.400 Hektar und einer Länge von 66 Kilometern entstand vor schätzungsweise 6000 bis 7000 Jahren, als der Meeresspiegel niedriger war als heute und sich in dieser Zeit riesige Mengen an erodiertem Sand auftürmten. Diese Sandansammlungen in Höhe von 30 bis 40 Metern bildeten die Sandbänke und Inseln der heutigen Marschlandschaft, deren Form und Lage sich mit Wind, Wellen und Gezeiten unablässig wandelt, aber dennoch die Lagune vor den Wellen des atlantischen Ozeans schützt.

Neben zahlreichen Muschelgärten sowie Austern- und Fischzucht lebt das Naturschutzgebiet auch von der Meersalzgewinnung. Und es ist die Heimat von Störchen und rosafarbenen Flamingos. Die lassen sich bei Ebbe zwischen den Stöcken nieder, die das jeweilige Revier der einzelnen Muschelfarmen abstecken.

Die Muschelreviere sind entweder gepachtet oder im Familienbesitz. Auch die Farm von Abel gehört schon seit 70 Jahren seiner Familie. „Mein Vater hat hier gearbeitet, bis er 80 Jahre alt war“, erzählt Abel. „Und auch ich liebe die Freiheit, hier zu sammeln. Das ist eine Arbeit von Generationen. Bis eine Farm ergiebig ist, kann es 30-40 Jahre dauern, aber dann ernährt sie eine ganze Familie.“ Er selber kommt drei bis vier Mal pro Woche alleine hierher, um seine Muscheln zu setzen und zu ernten. Bisweilen muss er auch neuen Sand aufbringen, weil die Gezeiten und der Wind zu viel abgetragen haben.

„Überall finden sich verstreute Vorkommen von Babymuscheln, die auf die Muschelbank gebracht werden und sich selber vermehren. Zum Teil verteile ich sie dann weiter“, erzählt Abel. „Daher weiß ich auch immer, wo die reifen Muscheln zu finden sind“. Wenn die Muscheln dicht aneinander liegen, schafft er bis zu 30 Kilo am Tag. Abel kultiviert vor allem die Ameijoa boa, die Venusmuschel. „Das ist die beste und teuerste Sorte“, lacht er übers ganze Gesicht.

Die Muschelernte ist streng geregelt. Nur Muschelfischer, die mit ihrer Farm im Kapitänsamt eingetragen sind, haben die Lizenz zum unbegrenzten Sammeln. Wer privat im „Niemandsland“ auf die Suche geht, darf pro Tag nur zwei Kilo Muscheln mitnehmen, Muschelfarmern sind dort die Mitnahme von sechs Kilo erlaubt. Die Muscheln verkauft Abel direkt an Großhändler, von denen es noch vier in Olhao, sowie je einen in Faro und Tavira gibt. Dort werden die Muscheln in Salzwasser als biologischem Filter gereinigt und mit UV-Licht bestrahlt, das eventuell vorhandene Bakterien abtötet.

Nicht weit entfernt von Abels Muschel-Claim liegen weitläufige Austernfarmen mit zahlreichen Säcken, gefüllt mit je 100 heranreifenden Austern. Bei Ebbe bekommen sie viel Sonne und sie werden zweimal pro Woche gewendet sowie regelmäßig gereinigt, weil sich Algen darauf absetzen. „Viele französische Firmen bringen ihre Austern-Babys hierher, weil sie wegen des wärmeren Wassers mindestens doppelt so schnell reifen, wie in der Normandie. 80 Prozent der hier geernteten Austern gehen inzwischen nach Frankreich, denn die Auster gehört weniger zur Speisekarte der Portugiesen als die Muschel. Inzwischen hat sie einen so guten Namen, dass sie in Frankreich als ‚Auster Ria Formosa’ verkauft wird“, weiß Roberto Cravo, der als Skipper und Reiseleiter das Naturschutzgebiet fast besser kennt als seine Westentaschen. Typisch für sie ist die
grünliche Farbe, während französische Austern weiß sind. Ein Dutzend Ria Formosa-Austern, gleich ein Kilo, kosten fünf Euro.

Wer die Muscheln auch frisch genießen will, wird in jedem Restaurant der Region fündig. Die Fischer der 200-Seelen-Insel Culatra tun das im Restaurant „O Riu“, knapp 50 Meter von Hafen.
Tische und Stühle stehen hier im warmen Sand, auf dem Tisch dampft eine Schüssel mit frischen Muscheln, die nur in Weißwein, Knoblauch und Olivenöl gegart sind, daneben ein Korb frisches Weißbrot. Wahre Kulinarik kann so einfach ein.

Weitere Infos:
Naturschutzgebiet Ria Formosa
https://www.visitalgarve.com

Bootstouren:
https://www.passeios-ria-formosa.com

Quelle: eigen

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