Die Wiederentdeckung der Langsamkeit

Hausboot-Tour auf der Yonne
Mit dem Hausboot unterwegs- ein besonderes Vergnügen in unserer schnelllebigen Zeit. Ein Bootsführerschein ist normalerweise erforderlich, nicht aber auf einigen Strecken in Irland, der mecklenburg-pommerschen Seenplatte in Deutschland oder auf einigen Flüssen und Kanälen Frankreichs. Rupert Heigl hat sich für uns auf die Yonne in Frankreich gewagt:
„ Leinen los und aufschießen“ schreit der Kapitän von seinem Steuersitz an der höchsten Stelle des 15 Meter Schiffes, während sie das Boot langsam aus der engen Schleuse bugsiert. An beiden Seiten bleiben nur wenige Zentimeter Platz. „Langsam, langsam“! Aufschießen ist mir gänzlich unbekannt und mit Schiffen habe ich, wie viele andere auch, das letzte Mal in der Badewanne gespielt. Der Kapitän, oder besser gesagt die Kapitänin, ist Katja, ihres Zeichens PR Managerin von Le Boat, der Verleihfirma der Boote. Sie hat schon öfter gemacht was für den Rest der Crew ein Buch mit sieben Siegeln ist und erst langsam erlernt werden muss. Was in Deutschland fast überall ohne Bootsführerschein undenkbar ist, funktioniert in Frankreich mit der typisch französischen Leichtigkeit bestens. Nach einer Stunde Einweisung durch Michel und einigen Testrunden auf dem Wasser, werden wir Neulinge mit dem fast 15m langen Monstrum auf den „Canal de Nivernais“ entlassen. Der Kanal stammt aus dem späten 18. Jahrhundert und führt, teilweise parallel zum Fluss Yonne, von Auxerre bis nach Decize. Auxerre liegt etwa 150 Kilometer südöstlich von Paris in Burgund. Sehr schnell lernen wir von unserer charmanten französischen Begleiterin Coralie, dass es „Ausserre“ gesprochen wird- und keinesfalls mit x, sonst wird sie böse. Unser Startort ist Chatel Censoir, ein malerisches Örtchen an der Yonne mit einer größeren Bootsbasis. Das Boot ist relativ geräumig und mit insgesamt vier Kajüten für jeweils zwei Leute ausgestattet. Bei zwei Kojen sind Bad und Toilette en Suite, die vorderen beiden teilen sich ein gemeinsames Bad. Küche und Wohnzimmer sind für alle eingerichtet. Gesteuert wird das Schiff entweder von Deck oder bei Regen aus dem Unterdeck. Ach ja, zum Thema fahren. Nach einer Stunde möchte Katja abgelöst werden. So recht möchte keiner ran, aber einer muss und wer wagt gewinnt! Hoffentlich. Cool wie John Wayne schreite ich zum Steuer. Ja nichts anmerken lassen. Das riesige Gefährt reagiert etwa so träge wie ein betrunkener Elefant und Weitsicht ist bei dem doch recht engen Kanal angebracht. Ein Geschenk ist das Bugstrahlruder (heißt wirklich so) mit dem sich anfängliche Ungeschicklichkeiten gut ausbügeln lassen. Gottseidank kommt nichts entgegen, so dass ich mich etwas an das langsame Dahingleiten gewöhnen kann. Maximale Geschwindigkeit sind ca. 10 Kilometer pro Stunde. Nach einiger Zeit macht das Boot was ich will und nicht umgekehrt und die Reise entlang der burgundischen Landschaft wird endgültig zur Entdeckung der Langsamkeit. Wirkliche Herausforderungen sind auf den ersten Kilometern die engen Brücken und die Einfahrten in die Schleusen, die noch immer von einem Schleusenwärter bedient werden. An beiden Seiten des Schiffes bleibt nur eine Handbreit Platz und obwohl die Bordwand von Fendern und einer wulstigen Gummilippe geschützt werden, sind an den Mauern deutlich die farbigen Einschläge der Vorgänger zu sehen. Da klopft das Herz. Nach der zweiten Schleuse ist der Vorgang Routine und die beiden Helfer an den Leinen wissen genau was sie tun müssen. Richtig, die Leinen aufschießen. Ich fühle mich wie der Kapitän der Queen Mary und rede mir ein, dass der im Grunde auch nichts anderes macht. Wohl dem, der Gutes denkt!
Immer wieder schärft uns Katja ein, dass Schleusen nur durch den Schleusenwärter bedient werden dürften. In der Hochsaison wird aufgrund des touristischen Betriebes jede Schleuse durch einen Schleusenwärter bedient. In der Nebensaison ist das anders. Zwei bis drei Schleusen werden durch eine Person betreut, die mehr oder minder gut gelaunt mit einem Auto französischer Bauart zwischen den Bauwerken hin und her eilt. Klare Ansagen sind von Vorteil und eine Minute nach zwölf Uhr geht gar nichts mehr. Wer mit der Schiffsirene hupt hat schon verloren. Betont uninteressiert wendet sich der, meist eine Zigarette lässig im Mundwinkel haltende, Schleusenchef ab. Mit viel Glück kehrt das Personal nach 13 Uhr vom Mittagstisch wieder an den Kanal zurück. Wer deutsche Emsigkeit gewohnt ist, braucht einige Tage um diese Lebensart zu schätzen. Manchmal ist auch gar keiner da. So geschehen an der Schleuse von Accolay. Streng wie ein U- Boot Kapitän steht Katja auf der Brücke und sieht in die Runde. Doch nicht das geringste Anzeichen eines Schleusenwärters. Geschult von der Bedienung der Schleusen auf der Lahn (dort ist alles Selbstbedienung) operieren wir geschickt Schieber und Schleusentore. Katja ist nicht wohl in ihrer Haut, das ist leicht zu sehen. Noch dazu schießt der Wärter mit hochaufspritzenden Wasserfontänen hinter dem Auto heran, als wir gerade dabei sind die Schleuse zu verlassen. Gina und Coralie sprechen Gottseidank perfekt Französisch und erklären wortreich unseren legendären Schleusendurchbruch. Wir kommen noch einmal ungeschoren davon.
Abends wird an einer der zahlreichen Anlegestellen festgemacht und das Boot seemännisch verzurrt. Arved Fuchs, ein guter Freund und von Beruf Seemann und Abenteuerer hätte seine wahre Freude an einer bayerischen Landratte gehabt. Achterknoten und sauber aufgeschossenes Tau- noch Fragen? Der Fluss, die Yonne, an der unser Kanal parallel entlangführt ist ruhig und nachts bewegt sich überhaupt nichts. Das Bett ist futonmäßig hart aber die Federbetten sind warm und geschlafen haben wir alle wunderbar. Tagsüber wird in den kleinen Geschäften eingekauft und Essen und Wein aus Burgund sind wunderbar. Christian kocht frische Suppe die superlecker schmeckt. Als Tagesetappe werden etwa fünf Stunden Fahrt mit dem Boot empfohlen und die sind wirklich bequem von, naja fast jedem zu fahren. Etwas Gefühl sollte man schon mitbringen um kleineren Karambolagen zu entgehen. Unser Endpunkt ist Auxerre (Ja, ja Coralie Ausserre!!) Eine wunderbare Stadt an der Yonne. Wir machen am Kai direkt in der Altstadt fest und besichtigen diese sehenswerte Stadt von ca.40 000 Einwohnern. Eine wirklich ruhige Art ein Land ohne Parkplatzprobleme zu sehen.
Aber was bleibt. Ehrlich? Die Fahrt ist einmalig aber ich bin verdammt froh, dass mein Auto nicht so träge reagiert wie dieses 15 Meter Monstrum.
Wer sich für Bootstouren und das Burgund interessiert, findet mehr Informationen unter https://www.crt-bourgogne.fr
Hausboot-Urlaub, auch in anderen Ländern bietet unter anderem: https://www.leboat.de
Eine Woche in Frankreich , je nach Saison ab 870 Euro.

Quelle:

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