Ab 1.Juli greift ein neues Reiserecht
Für Buchungen ab 1. Juli greift ein neues Reiserecht. Es soll vor allem Online-Kunden besser schützen. Aber es bringt auch Nachteile. Buchungsschritte gehören künftig dokumentiert.
Früher buchten die meisten Bürger Pauschalurlaub von der Stange und waren damit gut abgesichert bei Reiseärger. Mittlerweile gibt es immer mehr Individualtouristen. Sie stellen sich die Bausteine für ihre Ferien im Internet selbst zusammen, sind im Streitfall aber deutlich schlechter gestellt. Das soll für Buchungen ab 1. Juli besser werden. Dann kommt ein neues Reiserecht, das auch Individualisten mehr Schutz bieten soll. Doch das neue Gesetz nach Vorgaben der EU bringt nicht nur Vorteile. "Viele Formulierungen im neuen Reiserecht können unterschiedlich interpretiert werden, da werden Gerichte viel zu tun bekommen", gibt Kay Rodegra zu bedenken, Rechtsanwalt und Dozent für Reise- und Luftverkehrsrecht aus Würzburg. Vor allem für Online-Kunden heißt das: Sie sollten künftig jeden Buchungsschritt dokumentieren. Nur so lässt sich bei Reiseärger herausfinden, ob für sie das vorteilhaftere Pauschalreiserecht gilt oder nicht. Bei Buchungen bis zum 30. Juni gilt die alte Rechtslage - egal wann die Reise angetreten wird.
Neu ist die verbundene Reiseleistung. Sie entsteht, wenn der Urlauber mindestens zwei separate Leistungen hintereinander bucht, etwa Hotel plus Flug, und wenn getrennte Rechnungen vorliegen. Der Vermittler solcher verknüpften Reiseleistungen, etwa ein Onlineportal, muss eingenommene Kundengelder gegen Insolvenz absichern wie ein Veranstalter. Außerdem muss er aktiv informieren, etwa per Infoblatt, was der Kunde gerade kauft. Das ist wichtig, wenn es um die Haftung bei Reisemängeln geht. Nach neuem Recht kann aus der verbundenen Buchung ruck-zuck eine noch vorteilhaftere Pauschalreise werden. Zum Beispiel bei sogenannten click-through-Buchungen im Internet, wenn man zum Beispiel einen Flug kauft (direkt bei der Airline oder auf einer Plattform wie Expedia oder Opodo), zur Hotelreservierung weitergeleitet wird und innerhalb von 24 Stunden dort bucht, ohne dass man seine persönlichen Daten noch einmal eingibt. Die einzelnen Leistungen werden durch die gemeinsame Buchung zum Pauschalpaket. Der Vermittler steckt dann in der Haftung – was bedeutet: Dem Urlauber stehen dann auch sämtliche Pauschalreiserechte zu wie Rückholgarantie im Krisenfall oder nachträgliche Preisminderung bei Mängeln. „Anbieter arbeiten seit Monaten schon daran, dass Vermittlungen nicht innerhalb von 24 Stunden zustande kommen“, sagt Sabine Fischer-Volk, Reiserechtsexpertin der Verbraucherzentrale Brandenburg.
Ganz gleich, ob im Internet oder im Reisebüro gebucht: Ab Juli kommt es noch stärker aufs Kleingedruckte an sowie auf die einzelnen Schritte beim Buchen selbst. Geht bei der Reise etwas schief, ist es für den Kunden wichtig zu wissen, welche Rechte er hat und wer haftet. Die Unterscheidung zwischen verbundener Reiseleistung und Pauschalurlaub hängt meist von Details ab. „Eine Fluggesellschaft, die auf ihrer Website ermöglicht, neben dem Flug noch eine Hotelunterkunft oder einen Mietwagen hinzu zu buchen, kann allein schon durch den Ablauf des Buchungsprozesses ungewollt zum Reiseveranstalter werden“, so Fischer-Volk. Macht das Münchner Hotel, das mit einer Tischreservierung auf dem Oktoberfest lockt, schon in der Werbung den Eindruck, es handele sich um ein Pauschalarrangement, wird es ebenfalls rechtlich zum Veranstalter. Nur wenn der Wies’n-Tisch als separate Option angeboten wird, kann von Pauschalreise keine Rede sein. Verbraucherschützer raten Online-Kunden, den Buchungsverlauf sowie die E-mails ab 1. Juli stets abzuspeichern. Nicht zuletzt, weil sich Internet-Seiten ständig ändern. Ist der Ablauf dokumentiert, fällt die rechtliche Einordnung im Nachhinein erheblich leichter, wie Fischer-Volk betont. „Die Rechtsberatung der Urlauber wird in Zukunft kniffliger.“
Ob verdreckter Pool, Ungeziefer oder Baulärm von morgens bis abends: Urlauber haben künftig deutlich mehr Zeit, um nach ihrer Heimkehr Ansprüche auf Entschädigung geltend zu machen – wenn sie ab 1. Juli gebucht haben. Bislang musste man das innerhalb eines Monats nach dem Ende des Urlaubs beim Veranstalter erledigen. Jetzt bleiben zwei Jahre Zeit dafür. Zugleich gilt weiterhin: Wer einen verkorksten Urlaub erlebt, muss das noch vor Ort dem Reiseleiter oder Veranstalter anzeigen und dokumentieren.
Die Neuregelung bringt auch klare Nachteile für Urlauber. Bislang galt: Hat sich der Reisepreis – etwa wegen höherer Kerosinpreise oder veränderter Wechselkurse – um mindestens 5 Prozent erhöht, konnte der Urlauber den Vertrag kündigen, ohne dass ihm Kosten entstanden. Jetzt liegt die Hürde bei 8 Prozent. Außerdem darf der Veranstalter den Reisepreis bis zu 20 Tage vor Reiseantritt anheben. Nach altem Recht galt eine Frist von vier Monaten. „So kann der vormals erzielte Frühbucherrabatt schnell dahinschmelzen“, sagt Fischer-Volk.
Ferienhäuser und -wohnungen, die Reiseveranstalter anbieten, fallen künftig nicht mehr unter das Pauschalreiserecht. „Das war immer ein Sonderfall in Deutschland, während anderswo in Europa das Mietrecht gilt“, erklärt Fischer-Volk. Der Kunde dürfte es bei Reklamationen künftig schwerer haben, sein Recht durchzusetzen. Vor allem, wenn die Unterkunft im Ausland ist. Wer zum Beispiel ein Ferienhaus in Frankreich gemietet hat, wird es dann womöglich mit den Gesetzen des Reiselandes zu tun kriegen, je nach Vertrag.
Tagesreisen, die zum Preis von unter 500 Euro pro Person gebucht werden, sind ebenfalls keine Pauschalreisen mehr. Auch wenn Kaffeefahrten zum Beispiel ein ganzes Paket von Leistungen abdeckt wie Busfahrt, Verpflegung und Besuch einer Gartenschau. Liegt der Preis dafür unter dem 500-Euro-Limit, handelt es sich nicht um eine Pauschale. Auch Klassenfahrten für Schüler sowie Jugendfreizeiten fallen nicht unter das Pauschalreiserecht – solange sie nicht gewinnorientiert sind, nur gelegentlich, also nur einmal im Jahr, organisiert und nur einem begrenzten Kreis von Personen angeboten werden.
Quelle: eigen
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