Piepsmäuse und Nuschler werden nie Chef

Stimmtraining zur Berufskarriere

Eine souveräne Stimme ist wichtig für beruflichen Erfolg, wichtiger als Maßanzug und Kostüm. Schon ein paar Stunden Stimmtraining können die Karriere beflügeln.


Wahrscheinlich hätte sich Karl Theodor zu Guttenberg die Dissertation wirklich schenken können. Denn er besitzt das, was die Karriere jedes Menschen mächtig beflügeln kann: Eine wohl tönende, souveräne Stimme. So etwas wie den richtigen Schmelz zum Erfolg. In vielen Berufssparten sei nicht unbedingt ein Doktortitel der Schlüssel zum Aufstieg in Führungspositionen, sondern vor allem ein stimmlich überzeugender Auftritt, sagt Iris Eicher, Sprachwissenschaftlerin und Stimmtrainerin in München.

Studien haben bewiesen: Leise Piepsmäuse kommen übers Kaffeekochen in der Firma selten hinaus – ob sie blitzgescheit sind oder nicht. Auch schrille Sirenen, sich verhaspelnde Schnellsprecher oder knödelnde Nuschler schaffen es kaum bis in die Chefetagen. Wer in Bewerbungsgesprächen oder später in Konferenzen und Besprechungen erst gar nicht „gehört“ wird oder stimmlich in unangenehmer Erinnerung bleibt, landet in der Regel auf dem beruflichen Abstellgleis, weiß auch Karrierecoach und Diplompsychologe Jürgen Hesse. Auf ewig Indianer statt Häuptling: Das kann Frauen wie Männern gleichermaßen passieren, wenn sie sich eine unnatürliche Tonlage angewöhnt haben.

Der Ton macht die Musik, beim Einstellungsgespräch wie im Berufsalltag. Da nutzt auch das schickste Kostüm, der teuerste Maßanzug oder das größte Engagement nichts, winkt Hesse ab. Wer will schon einen Abteilungsleiter, der gut ausgebildet und stilsicher ist, dessen dünnes Fistelstimmchen aber vom Rest der Mannschaft nicht ernst genommen wird?

Wie stark eine gute Stimme die Außenwirkung von Menschen beeinflussen kann, hat der US-Psychologe Albert Mehrabian in einer Studie nachgewiesen. Danach gehen fast 40 Prozent des persönlichen Eindrucks auf andere auf das Konto der Stimme. Nur 7 Prozent hängen überhaupt vom Inhalt des Gesagten ab, der große Rest von der Körpersprache.

Clevere Politiker wissen das längst. Wer mitreißende Reden halten, Vertrauen wecken und aufsteigen will, holt sich Unterstützung vom Sprech-Coach. Auch Schauspieler tun es, Moderatoren, Dozenten, Spitzenmanager. Schon ein paar Stunden Stimmtraining helfen, selbst in angespannten Situationen stets den richtigen Ton zu treffen. Und was machen Millionen „normale“ Berufstätige? „Die machen sich so gut wie nie Gedanken um den Klang ihrer Stimme“, erzählt Eicher, Dozentin an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU). „Das sollten sie ruhig mal tun.“

Zwar sind viele im Job perfekt vorbereitet, achten auf ihr Äußeres, haben ihre Körpersprache im Griff – aber sobald sie den Mund aufmachen, können sie einfach nicht punkten. Fast jeder kennt solche Kollegen: Frauen, die mit viel zu hoher Kopfstimme fiepen, die mit dem Tempo eines Maschinengewehrs rattern. Männer, die monoton leiern, die sich im Sekundentakt räuspern oder hüsteln. Oder, schlimmster Fall: Männer, deren Stimme so hoch ist, dass sie am Telefon als Frau angesprochen werden.

Und dann kennt jeder die Kollegen, die durch ihre Stimme angenehm auffallen – Männer wie Frauen. Die immer die volle Aufmerksamkeit für sich verbuchen können, wenn sie das Wort ergreifen. Die scheinbar wie von selbst die Karriereleiter nach oben klettern.

Vielen Vorgesetzten ist nicht bewusst, dass sie Mitarbeiter mit souverän-klangvoller Stimme unweigerlich als selbstsicher, dynamisch und führungsstark einstufen, wie eine neue Studie von Elke Sapper am Lehrstuhl für Sprachheilpädagogik der Münchner LMU herausfand. Die Art des Vortrags überlagert in der Regel die Inhalte, wie brillant sie auch sein mögen. Ein Mensch mit unnatürlicher Stimmlage und Sprechtempo wird im direkten Vergleich mit hoher Wahrscheinlichkeit den Kürzeren ziehen, wenn es um Einstellung oder die nächste Stufe der Karriereleiter geht.

Wer eine stimmliche Schieflage hat, ist sich dessen aber selbst nicht bewusst. Viele Menschen haben sich die „falsche“ Sprechweise im Lauf des Lebens angewöhnt. Den echten eigenen Grundton haben sie praktisch verlernt. „In 99 Prozent der Fälle kommt kein Hinweis von Kollegen oder Freunden, das Thema ist zu intim“, sagt auch Karrieretrainer Hesse.

Dafür reden Personalleiter in Firmen immer öfter Klartext. Wer im Mitarbeiter- oder im Bewerbungsgespräch zu hören bekommt, er „überzeuge nicht mit der Stimme“, sollte spätestens dann professionelle Hilfe suchen, betont Eicher. Bleiben Stimmprobleme unbehandelt, schleifen sie sich ein und werden chronisch.

Eine ansprechende Stimmlage ist nicht allein natürliche Begabung. Sie lässt sich gezielt üben. Ein Beispiel aus der Karriereberatung Hesses: Eine 40-jährige Politologin mit Doktortitel und Top-Referenzen war trotz jeder Menge Vorstellungsgespräche volle zwei Jahre lang arbeitslos. Bis sich ein Personalleiter erbarmte und die Frau auf den „keifigen Ton in der Stimme“ hinwies. Sie ging zum Stimmtraining - und prompt klappte es auch mit der Anstellung.

Vor allem Frauen brauchten eine kraftvolle Stimme, um sich gegen die männliche Konkurrenz durchsetzen zu können, sagt Eicher. Männer sind von der Natur her häufig im Vorteil. Die Höhe der Stimme hängt auch von der genetischen Veranlagung ab. Je größer der Kehlkopf und das Lungenvolumen, desto tiefer die Stimme. Unabhängig davon kann aber jeder, ob Mann oder Frau, seine Stimme überraschend schnell optimieren. Klagen Vielredner wie Vertriebsleute, Lehrer oder Call-Center-Mitarbeiter über Atemnot beim Sprechen, Heiserkeit oder Schluckbeschwerden, sollten sie zum Arzt gehen. Eine Therapie ist dann meist überfällig.

Beim Sprechen werden über 100 Muskeln gebraucht und koordiniert. Schon ein normales Gespräch mit etwa 120 Wörtern pro Minute ist eigentlich eine kleine Meisterleistung. Jedes Wort erfordert eine andere Muskelstellung und das Einbinden unterschiedlicher Organe. Dabei kann einiges schief gehen im Laufe des Lebens.

Schon kleine Tricks können helfen, den richtigen Ton zu treffen, selbst bei Lampenfieber und unter massivem Stress. Menschen mit unechter Stimme müssten „zunächst lernen, sich selbst beim Sprechen wahrzunehmen“, erläutert Fachfrau Eicher. Wer locker „mmmmmm“ brummt, kriegt eine Ahnung davon, wie seine natürliche Klangfarbe wirklich ist.

Für mehr Stimmklang sorgen dann Sprechübungen wie man sie von Künstlern kennt wie „mom mom“ oder „hupp“, während ein Gähnen unterdrückt wird. Lippen- und Zungenmotorik lassen sich ebenfalls trainieren. Klingt ulkig, wirkt aber wahre Wunder. Wer dann im Alltag dran bleibt, sei schrilles Kieksen oder ständiges Hüsteln bald für immer los, versichert Sprachwissenschaftlerin Eicher. „Manchen gelingt eine Veränderung schon nach 5 Trainingseinheiten a 45 Minuten“, betont sie. Bei anderen kann es deutlich länger dauern. Die Kosten für eine befreite, souveräne Stimme: Ab 500 Euro, je nach Stimmeinschränkung und Aufwand. Die Therapie wird von der Krankenkasse übernommen, wenn ein Phoniater sie verordnet hat.

„Leute, pflegt die Stimme wie ihr den Rest des Körpers pflegt, sie kann im Beruf richtig viel nützen und womöglich bares Geld wert sein“, fordert Karrierecoach Hesse. Sprechen in der richtigen Tonlage sei leicht zu lernen, koste oft nicht mehr als ein paar neue Skier, mache dafür rundum selbstbewusster. Der Karriere-Kick kommt dann meist von allein.

Weitere Informationen bei Stimmstörungen unter https://www.sprecher-coaching.de oder bei der Deutschen Gesellschaft für Karriereberatung (DGfK) unter https://www.dgfk.org. Eine günstige Anleitung zur Selbsthilfe mit praktischem Sprechtraining gibt es jetzt erstmals auch per Hörbuch „Ansprechend sprechen“ für 14,90 Euro (ISBN 978-3-95471-199-4). Wer seine Stimme auf Vordermann bringen will, kann damit zu Hause üben oder bei längeren Autofahrten.

Quelle: eigen

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