Auslandskrankenversicherungen werden für Urlauber ab 60 richtig teuer
Ob Kreuzfahrt, Städtetouren, Studientripps: Bundesbürger im besten Alter lieben es zu verreisen. Die meisten haben seit Jahren schon eine Auslandskrankenversicherung in der Tasche, die selbst die Kosten schwerer Erkrankungen unter Palmen absichert. Erschwinglich ist sie allemal. Eine Jahrespolice kostet meist nicht mehr als ein, zwei Cocktails im Hotel. Singles sind meist schon ab 8 bis 15 Euro jährlich dabei, Familien für Beiträge unter 20 Euro. Doch Vorsicht: Kommen Urlauber ins Seniorenalter, schießen die Prämien plötzlich nach oben. Schon ab 60 kann die Police über Nacht doppelt so teuer sein, wie Georg Tryba, Experte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen bei einer Marktanalyse herausfand. Schlimmstenfalls müssen ältere Kunden auf einmal mehr als das Fünffache für den gleichen Schutz hinblättern.
Ab dem 65. oder 70. Lebensjahr langten viele Reiseversicherer quasi über Nacht deutlich stärker zu, bestätigt Bianca Boss, Sprecherin des Bunds der Versicherten (BdV). Mal zischt die Jahresprämie laut Tryba von 18 auf satte 71 Euro hoch, mal von elf oder 13,50 auf happige 60 Euro. Andere Versicherer ziehen ihre Preise nicht ganz so stark an, setzen dafür aber die Altersgrenze weit unter das typische Seniorenalter. Und so werden oft schon 50-Jährige plötzlich mit der doppelten Prämie konfrontiert. Statt bislang 7,92 werden da aus heiterem Himmel schon mal 20 Euro kassiert.
Viele Versicherte kriegen die Preissprünge erst mit, wenn das Geld schon von ihrem Konto abgebucht ist. Nicht alle werden vorher vom Versicherer extra informiert, wie eine Online-Umfrage von Stiftung Warentest ergab. Aber selbst wenn eine Vorankündigung zur Beitragserhöhung eintrudelt, reicht die Zeit in der Regel nicht mehr aus, den Jahresvertrag schnell noch zu kündigen. Die Kunden sitzen damit häufig für ein weiteres Jahr fest. Viele Betroffene machen ihrem Verdruss auch beim Büro für Altersdiskriminierung Luft. „Die Aufschläge sind nicht nur ein Ärgernis, das ist ein Beleg für die Benachteiligung älterer Menschen, einer der stärksten Kundengruppe im Tourismus“, kritisiert Hanne Schweitzer, Gründerin der Kölner Initiative. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz 2006 habe daran wenig geändert. Im Gegenteil: Betagte Neukunden mit Reiseplänen kriegen ab ihrem 70. oder 75. Geburtstag ab und zu gar keinen Auslandskrankenschutz mehr. Zu alt.
Dass das Alter bei der Prämiengestaltung zunehmend eine Rolle spielt, sei auch in anderen Versicherungsbereichen inzwischen gang und gäbe, betont Boss. Die Gesellschaften neigten dazu, Risiken immer gezielter zu bewerten – und dann auch gezielt zur Kasse zu bitten. „Wer auf der Zielgeraden zur Rente ist, sollte am besten von sich aus beim Anbieter nach den Aufschlägen für Senioren fragen und notfalls wechseln“, rät Verbraucherschützer Tryba. Wachsamkeit und ein Preisvergleich zahle sich für ältere Kunden immens aus. Bei der rühmlichen Ausnahme am Markt, dem Versicherer Debeka, geht es nach Angaben von Stiftung Warentest sogar ganz ohne Prämienerhöhung für Senioren. Dort zahlen alle Kunden 8 Euro im Jahr für die Dauerpolice.
Ältere Kunden sollten aber nicht nur auf den Preis achten, sondern auch auf die Leistung und die Vertragsbedingungen, mahnt Fachfrau Boss. Auch da gibt es Riesenunterschiede. Ob der Versicherer im Krankheitsfall unter Palmen zahlt, hängt immer auch vom Kleingedruckten ab.
Wichtig ist zum Beispiel, dass der teuerste Posten, ein Ambulanzflug heim, in jedem Fall von der Police abgedeckt ist. Ein Ambulanzflug aus der Karibik nach Deutschland kostet gut 60.000 Euro, der Heimflug aus Mallorca etwa 10.000, aus Australien sogar bis zu 100.000 Euro, wie Jochen Oesterle vom ADAC vorrechnet. Steht der Passus „medizinisch sinnvoll und vertretbar“ im Vertrag, ist die Police meist erste Wahl. Anbieter, die den Heimflug erst zahlen, wenn es „medizinisch notwendig“ ist oder wenn die Behandlung im Krankenhaus mehr als 14 Tage dauert, seien weniger geeignet, betont Peter Grieble, Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Wichtig ist auch, dass der Versicherer ein gut funktionierendes Notrufsystem im Ausland anbietet. Wer wechseln will, sollte auch darauf achten.
Chronisch Kranke wie etwa Dialyse-Patienten oder Urlauber mit Vorerkrankungen wie Diabetes müssen beim Kleingedruckten besonders aufpassen: Müssen sie im Ausland zum Arzt, gilt ihre Behandlung als vorhersehbar, nicht mehr als akut. Die Folge: Der Versicherer zahlt nicht. „Viele kaufen sich im Reisebüro oder im Internet unbesehen eine Police, die ihnen nichts nützt“, gibt Grieble zu bedenken. Die Betroffenen sollten vor Vertragsabschluss zum Arzt und sich schriftlich bestätigen lassen, dass sie reisefähig sind und dass aus medizinischer Sicht keine Bedenken gegen die Reise bestehen. Damit seien sie immer auf der sicheren Seite.
„Wir raten dazu, niemals auf die Auslandskrankenpolice zu verzichten, auch dann nicht, wenn sie für ältere Menschen plötzlich spürbar teurer wird“, betont Boss. „Das wäre am falschen Ende gespart.“ Wer in der Fremde keine gute Auslandskrankenversicherung im Kreuz hat, stehe schnell vor einem Berg von Problemen – und als Normalverdiener schnell vor dem Ruin. Ohne diese private Zusatzabsicherung bleiben Urlauber auf den meisten Krankheitskosten sitzen.
Die Auslandskrankenpolice kann noch auf den letzten Drücker abgeschlossen werden, notfalls am gleichen Tag der Abreise. Eine Wartezeit gibt es nicht. Eine Jahrespolice ist erste Wahl. Rundum-Sorglos-Pakete, die in Reisebüros und online gern angeboten werden, sind in der Regel teurer, enthalten Überflüssiges und helfen im Ernstfall nicht recht weiter. Den Anbieter wechseln hilft nicht nur sparen. Neue Vertragsklauseln sind oft leistungsstärker. Was die einzelnen Versicherer im Detail leisten; hat Finanztest im aktuellen Juni-Heft zusammengestellt. Oder im Internet unter https://www.test.de (Auslandskrankenversicherung eingeben).
Quelle: eigen
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