Teigtaschen, ganz viele Pickles und ein Orgasmus

Mit einem Big Apple Greeter auf Entdeckungstour durch New York

New York City ist wundervoll. Voller Trubel. Voller Historie und architektonischer Highlights, die in jedem Reiseführer aufgelistet sind. Was die meisten Besucher nicht wissen: Wer das echte New York abseits der bekannten touristischen Pfade erleben will, kann sich einen Big Apple Greeter an die Seite holen. Ob kulinarische Hotspots, Einblicke in den Alltag der New Yorker, versteckte Sightseeing-Perlen: Die ehrenamtlichen Einheimischen zeigen Fremden die tollsten Facetten „ihrer Stadt“. Selbst Kennern des Big Apple bieten die drei- bis vierstündigen Touren zu Fuß noch jede Menge Überraschendes. Denn: Ja, es gibt noch so viel mehr zu entdecken, New York besteht nicht nur aus Manhattan. Die Führungen sind obendrein kostenlos.

Wenn Einheimische „ihr“ New York zeigen
Wer zum Weihnachtsshopping oder Jahreswechsel nach New York reist, sollte sich jetzt schon um seinen persönlichen Guide bemühen und rechtzeitig buchen. Die persönlichen Gratis-Stadtführungen sind sehr gefragt. Die Freiwilligen – ganz oft kundige Senioren - sind schnell ausgebucht. Die gemeinnützige Big Apple Greeter Idee unter dem Motto „Komm als Gast, geh als Freund“ stammt aus dem Jahr 1992. Seither machen es sich weltoffene New Yorker Bürger zur Aufgabe, ihr Wissen über die Stadt zu teilen und zu berichten, wie es ist, in dieser riesigen Metropole zu leben.

Als wir vor kurzem in New York City waren, wollten wir unbedingt Einblicke in das frühere Leben der Einwanderer bekommen. In welchen Stadtteilen sie sesshaft wurden, Arbeit fanden, mit ihren kulinarischen Vorlieben die Stadt prägten. Wir hatten das Glück, einen pensionierten Lehrer als Greeter an die Seite gestellt zu bekommen. Der 76-jährige John holte uns vom Hotel ab und dann ging es los. Über drei Stunden führte uns der agile New Yorker durch die eher unbekannte Lower Eastside, ein Viertel, wohin sich nur wenige Touristen verirren. Das East Village war einst das Einfallstor für Einwanderer aus Europa. Vornehmlich für die „Germans“, die Italiener, Polen und die vielen jüdischen Immigranten aus Europa.

Teigtaschen-süß oder salzig- und Fischspezialitäten
Habt ihr schon jemals Knishes probiert? Das sind Mini-Teigtaschen, die jüdische Einwanderer aus Osteuropa in die USA brachten. John zeigte uns den unscheinbaren Laden von Yonah Schimmel in der Houston Street, dessen Familie inzwischen für das salzig und süß gefüllte Streetfood weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt ist – und das wir ohne ihn niemals gekostet hätten. Ein paar Meter weiter steht der Feinkostshop „Russ & Daughters“. Der Firmengründer startete 1920 sein Business mit dem Verkauf von Heringen aus dem Fass. Heute schmeißen die beiden Enkelinnen ein Feinkostimperium, das für seine geräucherten Fischspezialitäten, die angeblich besten Lachs-Bagels und Tuna-Sandwiches der Stadt berühmt ist. Stimmt, wir haben Letzteres probiert. Köstlich.


Zu echtem Weltruhm hat es das Lokal „Katz‘ Delicatessen gebracht, wenige Meter weiter an der Ecke Ludlow-Houston Street gelegen. Das jüdische Deli ist seit 136 Jahren für seine wirklich üppig belegten Pastrami-Sandwiches bekannt – und seit 1989 für die Szene in der Liebeskomödie „Harry und Sally“, in der Meg Ryan ihrem Filmpartner Billy Crystal mitten im Lokal einen Orgasmus vorspielte. Ein roter Pfeil von der Decke mit dem Spruch „Hope you have what she had. Enjoy“ markiert den Tisch, an dem sie saßen. Katz‘ Deli gilt seither als Mekka für Kinogrößen, Pastrami- und Filmfans. Wir kannten natürlich die Filmszene, hätten ohne John aber niemals zu Katz gefunden.

Ungarische Bialy-Fladen und die Pickle Guys
Für eine größere Lunch-Pause reichte die Zeit leider nicht. Denn John zeigte uns noch einen riesigen Süßigkeiten-Laden, den Essex-Street-Market sowie den winzigen Bialy-Deli, wo die  ungarische Einwandererfamilie Kossar seit 1936 die kleinen Bialy-Fladen verkauft, die wie eine Kreuzung aus Bagel- und Pizzateig schmecken. Wir hatten noch nie davon gehört, der Abstecher lohnte sich. Genauso wie ein paar Meter weiter in den urigen Laden der Pickle Guys in der Grand Street, wo unzählige Fässer mit eingelegten Gurken, Rettich, Oliven und Tomaten auf Abnehmer warten. Zu guter Letzt landeten wir noch in Chinatown, was sich rund um die Canal Street erstreckt. Hier verkaufen chinesische Einwanderer in der Henry Street  nicht nur Tand aus der Heimat, sondern auch Streetfood zu unschlagbar günstigen Preisen wie 15 Dumplings für 5 Dollar.

Unser Fazit: Ohne John hätten wir viele Ecken New Yorks niemals zu Gesicht gekriegt. Und nicht seine Erzählungen über den Alltag, das Wohnen und Miteinander in der Stadt gehört – und dass es sich in manchen Vierteln noch zu vernünftigen Preisen richtig gut leben lässt. Nebenbei hat er uns auch noch das Bus- und Subwaysystem erklärt. Der Spaziergang durch die Viertel hat unser Bild vom superteuren Hochglanz-New York doch etwas zurechtgerückt. Trinkgeld oder eine Einladung wies er kategorisch ab. Alle Greeter tun das. Sie zahlen selbst für Subway und Essen. Wir konnten ihm gerade mal einen Espresso spendieren. Mehr nahm er nicht an. Spenden an die Organisation sind willkommen.|

Grundsätzlich gilt: Freiwilligen-Touren sind in allen fünf Bezirken möglich. Man kann mit seiner GreeterIn Harlem oder das Little Italy der Bronx entdecken, zum weitgehend unbekannten Strand nach Brooklyn oder mit der U-Bahnlinie 7 durch Queens fahren. Die ehrenamtlichen Greeter sind bekannt für ihre kreativen Tipps und individuellen Touren, die man ohne sie nie machen würde. Sightseeing-Wünsche werden gern erfüllt.

Weitere Informationen und Buchung über https://www.bigapplegreeter.org
Weitere Informationen zu New York City unter https://www.nyctourism.com

Quelle: Eigen

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